Daniela Klette: Erklärung vom 13. August 2025

Gegenvorstellung gegen den Beschluss der Kammer auf Ablehnung der Einholung eines Waffengutachtens vom 9.7.2025

Wenn ich mir den Ablauf dieses Verfahrens in den letzten Monaten anschaue, stelle ich auf der einen Seite fest, dass das Gericht konziliant auftritt und um eine unaufgeregte Prozessatmosphäre bemüht ist.

Gleichzeitig stelle ich aber auch fest, dass meine Bemühungen etwas von unserer Haltung klarzustellen, völlig ignoriert werden.

Es dürfte allen, die bislang den Prozess und die Erklärungen, sowohl von mir als auch von Burkhard Garweg mitverfolgt oder die Anträge meiner Verteidigung wahrgenommen haben, deutlich geworden sein, dass es eines meiner Hauptanliegen in diesem Prozess ist, gegen den Vorwurf des Mordversuchs um an Geld für das Überleben in der Illegalität zu kommen, anzugehen.

Im Vorlauf des Prozesses und bis heute gab es Stellungnahmen um klarzustellen, dass die Tötung von Menschen zur Geldbeschaffung unserem Selbstverständnis als radikale Linke vollkommen entgegensteht. Im Gegenteil sehen wir es als notwendig an, das kapitalistische System zu überwinden, weil dieses System Geld und Profit über alles Leben stellt.

Vor der Sommerpause hat das Gericht nun seine bisherige rechtliche Einschätzung zu Stuhr abgegeben und tendiert dazu, nicht wegen Mordversuchs zu verurteilen. Viele drinnen und draußen haben sich gefreut und mir das auch geschrieben oder gesagt. Innden Medien wurde es teils als Wende im Prozess beschrieben.

Und sicher macht es einen Unterschied zu vorher, ja, eine kleine Hürde ist überwunden. Allerdings hat das Ganze einen Haken: Denn hier wird weiterhin an der ursprünglichen Unterstellung eines Mordversuchs festgehalten, von dem die Räuber*innen in Stuhr nur „zurückgetreten“ seien. D.h. sie hätten einen Mord vollenden können, haben es aber gelassen.

Wieder wird hier nicht einmal in Erwägung gezogen, dass es gar keinen Mordversuch gab. Was bei genauer Betrachtung der Umstände und Einbeziehung von Logik auf der Hand liegt.

Und darüber hinaus – wären Leute wie wir, also radikale Linke beteiligt gewesen, hätte es auch gar keinen geben können.

Am gleichen Tag, nämlich dem 9.7.2025, wurde sogar wieder ein Antrag meiner Rechtsanwält*innen auf ein weiteres Gutachten zu dieser Frage vom Tisch gewischt.

In der Begründung der Einschätzung taucht nun eine neue Unterstellung als Möglichkeit auf: die Räuber*innen hätten eventuell damit gerechnet, den Fahrer durch eine schwere Verletzung dazu zu bringen, den Wagen zu öffnen, weil er Hilfe bräuchte.

Es gibt wohl keine Grenzen an abgründiger Phantasie, wenn es darum geht, unbedingt an dem Bild von rücksichtslosen, brutalen und allgemeingefährlichen Verbrecher*innen festzuhalten, denn das dient der weiteren Hetze und Verfolgung. Deshalb war mein Aufatmen über diesen Beschluss eingeschränkt.

Mir geht es nicht nur darum, mich gegen den Vorwurf des angeblichen Mordversuchs zu wehren, sondern auch darum, die Unterstellung einer generellen Tötungsbereitschaft bei uns als Lüge zu entlarven. Was ich übrigens nicht nur in Worten, sondern bei meiner Festnahme ganz praktisch demonstriert habe.

Auch über diese Tatsache wird einfach so hinweggegangen. Dazu passt dann auch die Aussage des LKALers, der bei meiner Festnahme dabei war. Als kooperativ und fast etwas erleichtert will er mich wahrgenommen haben. Erleichtert war ich allerdings nicht. Jeder Schritt, den ich von meiner Wohnung aus in Richtung Polizeiauto machte, riss einen riesigen Abgrund hinter mir auf. Ich ging in dem Bewusstsein, dass ich hierher nicht zurückkommen könnte und mein bisheriges Leben mit allen, die ich dort liebe und allem was mir viel bedeutete zurücklassen würde. Ich ging in dem Gedanken, dass meine einzige sinnvolle Aufgabe in diesem Moment noch war, Zeit zu schinden. Ich hätte viel darum gegeben, mein bis dahin erfülltes Leben mit Freund*innen, Genoss*innen und meiner Hündin geschützt vor der repressiven staatlichen Verfügungsgewalt fortsetzen zu können.

Der Einsatz von Waffen und in diesem Fall mit der Wahrscheinlichkeit einer blutigen Eskalation, kam dabei nicht in Frage.

Diese Tatsache fließt weder in den Prozess ein noch in das Auftreten von Polizei und Staatsanwaltschaft bei der weiteren Fahndung.

Auch der Umstand, dass sogar die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift davon ausgeht, dass vieles uns so auch die Waffen in meiner Wohnung gelagert waren und wie es aus der Akte hervorgeht, dass diese nicht schussbereit – Waffen und Magazine getrennt und sicher verstaut waren, so dass auch niemand zufällig hätte darüber stolpern können, hat hier keine Bedeutung.

Die Fahndungshetze läuft unbeirrt davon weiter gegen wegen Mordversuchs gesuchte allgemeingefährliche Täter, die besser nicht angesprochen werden sollen.

Schon in der Anklageschrist wurden Behauptungen zu dieser Richtung beibehalten.

In der Anklage (S. 487) steht:

Großkalibrige Faustfeuerwaffen führten die Mitglieder der „RAF“ ständig zugriffsbereit und geladen mit sich, wobei die Übereinkunft bestand, bei drohender Festnahme ohne Rücksicht von der Waffe Gebrauch zu machen, um eine Festnahme zu verhindern.“

Das soll in der Anklageschrift zwar in erster Linie die Funktion haben, eine Waffe bei einem Überfall hinzuzudichten, wo niemand eine gesehen hat, damit wird aber gleichzeitig die Behauptung einer ständigen Bereitschaft bei uns zum Waffeneinsatz in den Prozess eingebracht.

Dieses Konstrukt wird aufrechterhalten, um das Bild, welches jahrzehntelang in der Öffentlichkeit, von der RAF gezeichnet wurde zu bestätigen und damit die Geschichte fundamentaler Opposition und eines Teils der früheren revolutionären Linken zu denunzieren.

Um es noch einmal zu betonen: Es wird aufrechterhalten und für die Verfolger als Orientierung gesetzt – noch 27 Jahre nach der Auflösung der RAF. So beinhaltet dies ganz klar eine ernsthafte Drohung gegen Burkhard und Volker. Die mediale Hetze gegen die Beiden soll damit am Brodeln gehalten werden und brutalstes polizeiliches Vorgehen bei der Fahndung gegen sie rechtfertigen. Das schafft eine Stimmung wie zu Zeiten der Killfahndung als Militante aus der RAF nicht verhaftet, sondern gleich ermordet wurden. So zum Beispiel beim Mord an Elisabeth van Dyk und dem Mordversuch an Rolf Heissler.

Staatsanwältin Marquardt drohte nicht nur mir mit einem weiteren Bad Kleinen, das ich verhindern könnte, wenn ich Aussagen über den Aufenthalt der beiden machen würde. Natürlich macht das alles auch mir Angst davor, dass sie aufgrund der Dämonisierungsversuche und das heißt vorgefertigten Rechtfertigungen im Zusammenhang der Fahndung erschossen werden könnten. Und es gefährdet auch Personen, die als sie denunziert werden. Dieses gesamte Vorgehen ist lebensgefährlich und vollkommen verantwortungslos. Das muss aufhören.

Genauso wie die fortlaufende Schikane durch sogar mehrfache Vorladungen von Freund*innen und Besucher*innen, jedes Mal mit der Androhung von hohen Bußgeldern oder Beugehaft.

Die Mär von unserer angeblichen Allgemeingefährlichkeit, Rücksichtslosigkeit und generellen Tötungsbereitschaft haben Polizei und Staatsanwaltschaft mit verlogenen Behauptungen, wie z.B. dem angeblichen Sprengstofffund in meiner Wohnung – was nie von ihnen dementiert wurde, obwohl keiner gefunden wurde – seit meiner Festnahme munitioniert.

Durch die Unterstellung einer besonderen Gefährlichkeit seitens der Bundesanwaltschaft wurde ein militarisierter Prozessrahmen geschaffen.

Hiermit sollen Erinnerungen und Feindbilder aus früheren Prozessen gegen Militante aus der RAF erweckt und wiederbelebt werden. Schon in Celle war dies deutlich genug und wird mit den rambomäßigen Transportfahrten und dem Hochsicherheitstamtam hier in Verden-Eitze noch unterstrichen.

Auch wenn das Gericht sich noch so unpolitisch sehen und darstellen will – in diesem Prozess bestimmt der politische Hintergrund – das Feindbild RAF und die Ungeheuerlichkeit, sich mehr als 30 Jahre dem Zugriff des Staates entzogen zu haben, den Rahmen.

Die Ablehnung des Antrags meiner Verteidigung, der darauf zielte, nachzuweisen, dass der Fahrer Immes durch die Schussabgabe nicht in eine lebensgefährliche Situation kam, zeigt doch, wie sehr das Gericht in diesem Feindbild verstrickt ist – lieber nichts zulassen, das diese Sicht brökeln lassen könnte.

Mir wird es in diesem Prozess weiter darum gehen klarzumachen: Linken töten nicht für Geld Punkt.

Und sie beklauen keine Omas und keine kleinen Läden oder sonstige Menschen, die selbst kaum was haben oder gerade so über die Runden kommen, aber falls sie Geld rauben, dann dort, wo es im Überfluss durch Ausbeutung, Raubbau und Weiße-Kragenverbrechen, die im Kapitalismus meist institutionell geschützt werden, angehäuft wurde.

Das heißt, ich werde weiterhin alle diese Lügen abwehren.

In tiefer Verbundenheit mit den beiden jahrelang mit mir zusammen Verfolgten Burkhard und Volker und mit allen Freund*innen und Genoss*innen im weltweiten Widerstand gegen Repression, Krieg, Faschismus, Rassismus, Kapitalismus und Patriachat und jegliche Form der Unterdrückung.

Freiheit für Palästina.

Wirklich frei sein können wir nur, wenn alle frei sind.