Sa. 22.02.2025, 18:30 Uhr, Oranienplatz, Berlin-Kreuzberg
Stoppt den Staatsterrorismus! Solidarität mit den Untergetauchten und Gefangenen!
Vor fast einem Jahr, am 26. Februar 2024, wurde Daniela Klette in ihrer Kreuzberger Wohnung verhaftet und sitzt seither in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Vechta in Untersuchungshaft. Ihr werden verschiedene Enteignungsaktionen, aber auch die erfolgreiche Sprengung der JVA in Weiterstadt 1993, die von der Roten Armee Fraktion (RAF) verübt wurde, vorgeworfen. Der erste Prozess steht vor der Tür und soll im März diesen Jahres vor dem Landgericht Verden beginnen.
Nach der Festnahme Daniela’s wurde Berlin zu einem Schauplatz schwer bewaffneter Uniformierter in militärischer Manier, die sich gegenseitig in der Stufe der Eskalation zu übertrumpfen versuchten. Kompetenzstreitigkeiten innerhalb der unterschiedlichen repressiven Behörden in Bund und sich zuständig fühlenden Ländern, sorgten immerhin für etwas Belustigung in einer Woche, die sonst von der Machtdemonstration der Bullen und reißerischen Artikeln in den Medien überschattet war. Häuser wurden geräumt, verschiedene Objekte durchsucht, Panzer sind durch die Straßen gefahren und der deutsche Staat hat gezeigt, dass er nicht vergisst.
Das Gerichtsverfahren gegen Daniela Klette wird voraussichtlich in der letzten Märzwoche 2025 in Niedersachsen beginnen. Diese Website dokumentiert ausgewählte Informationen zum Verfahren u.a.m.
Auf der 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz verlas der Schauspieler Rolf Becker ein Grußwort der in der JVA Vechta in Untersuchungshaft sitzenden mutmaßlichen früheren RAF-Militanten Daniela Klette, das jW hier dokumentiert:
Liebe Teilnehmer*innen der Rosa-Luxemburg-Konferenz, liebe Genoss*innen,
ich grüße Euch heute aus dem Gefängnis von Vechta. Ich wurde vor bald einem Jahr nach Jahrzehnten des Lebens in der Illegalität verhaftet.
Vor mir liegt ein mehrere Jahre dauerndes Justizverfahren, in dem ich angeklagt werde, an bewaffneten Enteignungsaktionen teilgenommen zu haben. Darüber hinaus strebt die Justiz nach einem weiteren Prozess gegen mich, in dem ich angeklagt werden soll, als Militante an Aktionen der Stadtguerilla gegen Kapitalismus und Imperialismus teilgenommen zu haben.
Ich war 17, als der vietnamesische Befreiungskampf den US-angeführten Imperialismus besiegte. Der unglaubliche Sieg wurde mit weltweiter Solidarität erkämpft – trotz Napalm, trotz der enormen Militärmaschine, die der Befreiungsbewegung entgegenstand, und trotz der Massaker an der vietnamesischen Bevölkerung, die die US-Militärs mit der Hilfe und Komplizenschaft des Westens, allen voran Deutschlands, verübt hatten.
Burkhard Garweg wendet sich in einem Brief an Familie, Freund*innen, Genoss*innen, Verbündete, Wagenplatzbewohner*innen sowie an alle, die sich mit seiner und ihrer Sicht auseinandersetzen wollen:
»Legal, illegal, scheißegal. Am 26. Februar diesen Jahres wurde Daniela Klette in Berlin verhaftet. Journalist*innen, die sich bereitwillig als Hilfspolizist*innen angedient hatten und dazu beitrugen, den zunehmend autoritär agierenden Staat um die staatliche und gesellschaftliche Gemeinschaft von Fahnder*innen und Denunziant*innen zu ergänzen, hatten mit KI Technologie Bilder von Daniela im Internet aufgespürt. Das historische Verdienst dieser podcastjournalistischen Denunziant*innen wird es gewesen sein, im richtigen Moment den Beweis für die angebliche Notwendigkeit biometrischer Kontrolle durch Gesichtserkennung auf dem Weg zum totalitären Kontrollstaat erbracht zu haben.
Täuschung der Öffentlichkeit
Die darauf folgende polizeiliche Fahndung gegen Volker Staub und mich sind seither geprägt von Lügen und Hetze. Polizei und bürgerliche Medien sagen, wir seien gewalttätige Kriminelle bzw. Terroristen, die nicht davor zurückschrecken würden, für Geld zu töten. Das Haus, in dem Daniela gewohnt hatte, wurde wie auch die Nachbarhäuser wegen angeblich gefährlicher Sprengstoffe medienwirksam evakuiert. Es begannen Maßnahmen der Mobilisierung der Bevölkerung zur Fahndung und Operationen psychologischer Kriegsführung. Es ist mittlerweile bekannt, dass eine gefundene Granate und eine gefundene Panzerfaust Attrappen waren. Das muss die Polizei von Anfang an gewußt haben. Diese ganze Aktion über mehrere Tage war eine Operation zur Täuschung und Manipulation der Öffentlichkeit.
Die fortwährende Propagierung unserer Gewalttätigkeit und Gefährlichkeit, die Haus- und Wagenplatzdurchsuchungen in martialischer Form, gepanzerte Fahrzeuge und MP bewaffnete Polizist*innen als sei der Krieg ausgebrochen, Kontrollen und Festnahmen sind mit den bewußt erzeugten Bildern nichts als die Behauptung der Notwendigkeit polizeilicher Militarisierung und eine Inszenierung, um die Bevölkerung zur Fahndung zu mobilisieren.
Vor allem aber geht es ihnen mit dem erzeugten Bild krimineller Gewalttäter*innen darum, die Geschichte der Funamental-Opposition zu entpolitisieren und zu denunzieren – jene Geschichte des historischen Versuchs, zur Befreiung von den Gewaltverhältnissen des Kapitalismus beizutragen, der aus dem Widerstand der (19)68er Bewegung hervorgegangen und mit den weltweiten revolutionären und antikolonialen Kämpfen verbunden war.
Vor 26 Jahren endete das Projekt Stadtguerilla in Form der RAF. Jedoch endete für uns, die wir als Militante der RAF verfolgt wurden, nicht das Leben in der Illegalität.Das Bild, das von uns zu erzeugen versucht wird, beschreibt eine gewalttätig marodierende Räuberbande, die für die Allgemeinheit gefährlich und auch zum Töten bereit sei – und das nur für Geld. Für uns ist es jedoch ausgeschlossen, für Geld Gewalt gegen Menschen auszuüben, die sie töten oder physisch verletzen könnte. Jegliche Traumatisierung von Angestellten von Kassenbüros oder Geldtransportern ist zu bedauern.Es gibt keinen Grund den Polizei- oder Justizapperat irgendetwas zu glauben, weil sie davon geleitet sind die Fundamentalopposition zu delegitimieren und davon, ein Klima zu erzeugen, in der staatliche Gewalt und Repression gerechtfertigt erscheinen.
Die Rote Hilfe erklärt zur staatlichen Repression bei Gesten der Solidarität:
»Seit der Verhaftung von Daniela Klette am 26. Februar 2024 in Berlin inszenieren die Repressionsbehörden ein groteskes Bedrohungsszenario und reagieren auf Solidaritätsbekundungen mit schweren Schikanen und Verfolgungen. Unter anderem werden Menschen, die Besuchsanträge gestellt haben, kriminalisiert und mit Zeug*innenvorladungen der Bundesanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft Vechta überzogen.
Schon in den ersten Tagen nach Danielas Verhaftung wehte der Geist des Deutschen Herbstes vor allem durch Berlin, als martialisch ausgestattete Großaufgebote brutale Razzien in Wohnungen und Wagenplätzen durchführten. Begleitet wurde die Repressionswelle von einer medialen Hetzkampagne, die bis heute andauert und das Schreckgespenst einer gewaltigen Bedrohung zeichnet. Parallel läuft eine absurde Jagd auf die beiden weiter Untergetauchten Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub. In diesem Zusammenhang hat die Bundesanwaltschaft bereits dutzende Menschen als Zeug*innen vorgeladen, die mit der Drohung von Ordnungsgeldern und Beugehaft zu Aussagen erpresst werden sollen. Teilweise waren vollkommen banale Vorgänge wie der frühere Wohnsitz in der Hamburger Hafenstraße Grund genug für eine Vorladung.
Daniela Klette selbst, die der – inzwischen verjährten – Mitgliedschaft in der Roten Armee Fraktion und mehrerer Banküberfälle beschuldigt wird, sitzt seither in der Justizvollzugsanstalt Vechta in Untersuchungshaft. Die ersten Wochen war die linke Aktivistin der berüchtigten „weißen Folter“ ausgesetzt, indem sie in kompletter Isolationshaft saß und nicht einmal Schreibzeug benutzen durfte. Inzwischen wurden die Haftbedingungen etwas gelockert, aber Normalität ist keineswegs in Sicht: Ihre Kontakte werden systematisch behindert und Besuche werden nicht nur intensiv überwacht, sondern sind nur schwer möglich, indem Freund*innen kriminalisiert und eingeschüchtert werden. Ohnehin werden inzwischen viele Besuchsanträge abgelehnt und manche Antragsteller*innen mit Zeug*innenvorladungen unter Druck gesetzt. Bei der Erfindung vermeintlicher Gefahren kennen die Behörden keine Grenzen und fantasieren beispielsweise von angeblichen Ausbruchsüberlegungen und geplanten Befreiungsaktionen.
Infos und Gedanken zu den Zeugenladungen im Verfahren gegen Daniela Klette von solidarischen Freund:innen:
»Seit 2023, und verstärkt seit der Verhaftung von Daniela Klette im Februar 2024, verschicken die Staatsanwaltschaft Verden und die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe immer mehr Zeugenladungen in den Verfahren gegen Daniela, Burkhard Garweg und Volker Staub.
Uns sind bis jetzt über zwanzig bekannt. Davon gingen allein zwölf an ehemalige RAF-Mitglieder, die alle zwischen 10 und 26 Jahren im Knast waren und heute über 70 Jahre alt sind. Ebenfalls ist der Wohnsitz in der Hamburger Hafenstraße, egal wie lange her, mehrmals Grund für eine Ladung gewesen. Und es gab, soweit wir wissen, zwei Hausdurchsuchungen in Hamburg in diesem Zusammenhang.
Die Staatsanwältin Marquardt in Verden tut sich dabei besonders hervor. Zu einer der Hausdurchsuchungen in Hamburg, bei der der Betroffene stundenlang unter Druck gesetzt wurde – er sollte sich vernehmen lassen, dann würde die Durchsuchung abgebrochen – war sie extra angereist. Von einigen der ehemaligen RAF-Mitglieder wollte sie, dass sie Burkhard Garweg und Volker Staub auffordern, sich so bald wie möglich zu stellen: “wir wollen doch kein zweites Bad Kleinen“. In Bad Kleinen wurde Wolfgang Grams 1993 erschossen.
Inzwischen reicht es auch schon, Daniela besucht zu haben, um eine Zeugenladung zu kriegen, oder zuletzt sogar, einen Antrag für einen Besuch bei ihr gestellt zu haben.
Das Mittel der Zeugenladung wird als Abschreckung, Besuche zu beantragen, genutzt und die Isolation dichter gemacht. Bei fünf Personen, die Daniela Klette besuchen bzw einen Besuchsantrag gestellt haben, wurde das bisher gemacht.
Die Interventionistische Linke (IL) verurteilt die staatlichen Schikanen gegen Daniela Klette:
»Daniela Klette in der JVA Vechta wurde unser Zwischenstandspapier #2 „Gegenmacht aufbauen, Gelegenheiten ergreifen“ nicht zugestellt. Der entsprechende Beschluss des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof reiht sich in andere Schikanen ein, der die politische Gefangene ausgesetzt ist. So können wir derzeit leider nicht miteinander über unsere Analysen und Positionen diskutieren. Sauerei!«
Die Tageszeitung »nd.Der Tag« berichtet über Ariane Müller, die vom BKA vorgeladen wurde, nachdem sie sich für die Gefangene Daniela Klette eingesetzt hatte:
»Die Suche nach einem Standort für den größten Prozess in der Geschichte des Landgerichts Verden konkretisiert sich weiter«, hieß es kürzlich in der »Vechtaer Kreiszeitung«, dem Lokalblatt der kleinen niedersächsischen Stadt. In der dortigen Justizvollzugsanstalt (JVA) ist Daniela Klette inhaftiert, die Ende Februar 2024 in Berlin verhaftet wurde. Sie wird von der Justiz beschuldigt, Mitglied der Rote Armee Fraktion (RAF) gewesen zu sein und mit zwei Gefährten zusammen mehrere Banküberfälle verübt zu haben. Klette hat sich zu den Vorwürfen bisher nich öffentlich geäußert.
Die Vorbereitung für ihren Strafprozess, für den mehrere Monate eingeplant sind, läuft auf Hochtouren. Der Standort Vechta wird deswegen favorisiert, weil alle Banküberfälle, derer Klette beschuldigt wird, in Niedersachsen stattgefunden haben. Vechta ist eine von zwei niedersächsischen Städten mit einem Frauengefängnis. In dem Städtchen hat Klettes Inhaftierung in den letzten Monaten für politische Aufregung gesorgt, unter anderem, weil es mehrere Kundgebungen des Komitees »Solidarität mit Daniela Klette« gab.
Angemeldet hatte die Demos Ariane Müller. Die ehemalige Krankenpflegerin hat mittlerweile Besuchsverbot bei der Gefangenen. Außerdem wurde sie von ihrem Arbeitgeber entlassen, nachdem sie die erste Kundgebung angemeldet hatte. Der Rauswurf sei für sie wie »aus heiteren Himmel« gekommen, sagte Müller »nd«. Zum Besuchsverbot sagt sie: »Es gab keinen Streit und keine Auseinandersetzung mit dem Gefängnispersonal. Aber da die Besuche bewacht werden, war klar, dass sich eine Vertrautheit zwischen mir und Daniela Klette hergestellt hat. Das soll wohl unterbunden werden.«