
In der Strafsache gegen Daniela Klette (1 Ks 453 Js 24649/15 (112/24)) wird nach den Vernehmungen der Zeug*innen M.S., C.J., Z.J., D.J., A.N., M.S., H.-W.H., I.B, J.F., H.-J.H. und C.R. in den Sitzungen vom 18.06., 01.07. sowie 02.07.2025 sowie im Hinblick auf die noch ausstehenden und für die kommenden Wochen vorgesehenen Vernehmungen der Zeug*innen V.H., M.-W.H., PK R., POK’in H., KOK S., POK S. und PHK H. beantragt. ein aussagepsychologisches Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache, dass die von den genannten Tatzeug*innen abgegebenen Personenbeschreibungen und ldentifizierungsleistungen der Täter des Raubüberfalls von Cremlingen am 25.06.2016 sowie der von ihnen benutzten Waffen und Fahrzeuge aufgrund einer Vielzahl suggestiver Einwirkungen aussagepsychologisch hinsichtlich der Frage ihrer Glaubhaftigkeit nicht belastbar sind und keinerlei Beweiswert besitzen, einzuholen.
Der Sachverständige wird dabei aufgrund der unten konkretisierten Tatsachen zu dem Ergebnis kommen, dass
– die einzelnen vermeintlichen Erinnerungen der Zeug*innen durch die öffentlich bekannt gewordenen Fahndungsmaßnahmen gegen die Angeklagte und die beiden gesondert verfolgten S. und G. sowie durch die bereits vor Ort und dann auch im Rahmen der polizeilichen Zeug*innenvernehmungen erfolgten Bezugnahmen und Thematisierungen der möglichen Täterschaft des „RAF-Trios“ suggestiv beeinflusst wurden,
sowie dass
– es sich durch den Austausch der Zeug*innen vor Ort sowie durch von der Polizei vor Ort durchgeführten gemeinsamen Zeug*innen-Befragungen bei den Aussagen der Zeug*innen um Gemeinschaftserinnerungen und nicht um originäre Erinnerungen handelt.
Weiter wird angeregt, mit der Erstellung des Gutachtens Dr. Lennart M., zu laden über die Medical School Berlin, Rüdesheimer Str. 50, 14197 Berlin, zu beauftragen.
Dr. M. ist seit 2020 als Juniorprofessor für Rechtspsychologie an der Medical School Berlin (MSB) tätig. In seinen Forschungsarbeiten beschäftigt er sich u.a. mit der Thematik von Falschaussagen und Aussagestrategien von Zeug*innen. Er ist außerdem als aussagepsychologischer Sachverständiger für Gerichte und Staatsanwaltschaften tätig. Dabei befragt er Beschuldigte und Zeug*innen und analysiert deren Aussagen hinsichtlich suggestiver Prozesse und Lügen bzw. der Glaubhaftigkeit von Geständnissen.
Dem genannten Sachverständigen sind zur Erstellung seines Gutachtens sämtliche Fallakten und Sonderbände zu dem Raubüberfall in Cremlingen am 25.06.2016 zur Verfügung zu stellen. Insbesondere sind dem Sachverständigen sämtliche Vernehmungsprotokolle bzw. polizeilichen Unterlagen, in den sich Vernehmungsinhalte der oben genannten Zeug*innen sowie des verstorbenen Zeugen M.P. befinden, sowie die Vermerke des PK R. vom 26.06.2026 („Erster Angriff“), FA Cremlingen Bd. 01, Bl. 107ff, der PK’in H. vom 26.06.2026 („Erste Befragung der Zeugen“), FA Cremlingen Bd. 01, B.. 110ff sowie des PHK S. über zeitliche Abfolgen und Erkenntnisse der polizeilichen Ermittlungen am Tatort (FA Cremlingen Bd. 02, B.. 92ff) auszuhändigen.
Des Weiteren sind dem Sachverständigen die gerichtlichen Mitschriften zu den bereits erfolgten Vernehmungen der Zeug*innen M.S., C.J., Z.J., D.J., A.N., M.S., H.-W.H., I.B., J.F., H.-J.H. und C.R., insbesondere die Passagen, die sich mit den äußeren Umständen der polizeilichen Vernehmungen, dem Austausch der Zeug*innen untereinander, ihrem Informationsstand hinsichtlich der Fahndung nach den gesuchten vermeintlichen früheren RAF-Mitgliedern, der Kenntnis von Fahndungsplakaten und den Täterbeschreibungen befassen, auszuhändigen.
Weiter ist dem Sachverständigen der am 02.07.2025 bei dem LKA Niedersachsen angeforderte und bislang noch nicht eingegangene Bericht über öffentliche Fahndungsmaßnahmen des LKA Niedersachsen bzgl. der Angeklagten/ Beschuldigten Klette, G. und S. sowie das Antwortschreiben nebst Anlagen des Generalbundesanwalts an das LG Verden vom 22.07.2025 auf die Anfrage zu den in der Vergangenheit erfolgten Maßnahme der Öffentlichkeitsfahndung auszuhändigen.
Der Sachverständige sollte auch bereits zu den noch ausstehenden Vernehmungen der Zeug*innen V.H., M.-W.H., PK R., POK’in H., KOK S., POK S. und PHK H. geladen werden, um sich einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von dem Aussageverhalten dieser weiteren Zeug*innen verschaffen zu können. Sollte es dem zu ladenden Sachverständigen Herrn Dr. M. bzw. einem von Gericht auszuwählenden anderen Sachverständigen auf dem Gebiet der Aussagepsychologie nicht möglich sein, so kurzfristig an der Hauptverhandlung teilzunehmen, so wird beantragt, die Ladungen der Zeug*innen V.H., M.-W.H., PK R., POK’in H., KOK S., POK S. und PHK H. auf spätere Hauptverhandlungstermine zu verschieben, an denen der Sachverständige dann teilnehmen kann.
Der Sachverständige wird sich bei der Erstellung seines Gutachtens insbesondere auf die nachfolgend nach den Mitschriften der Verteidigung zusammengefassten Aussagen der bereits in der Hauptverhandlung vernommenen Zeug*innen stützen. Diese Zusammenfassung der Aussagen konzentrieren sich hier auf die Angaben der Zeug*innen zu den Täterbeschreibungen, zu dem Austausch der Zeug*innen untereinander, zur Bedeutung der Vermutungen hinsichtlich einer Täterschaft des „RAF-Trios“ sowie den Umständen der polizeilichen Befragung und der Bedeutung der Fahndungsplakate.
Der Sachverständige wird darüber hinaus weitere Anhaltspunkte für die oben aufgestellten Beweisbehauptungen aus dem Aussageverhalten der Zeug*innen zu den Tatwaffen sowie zu den bei der Tat verwendeten PKWs finden.
I. Zusammenfassender Inhalt der bisherigen Zeug*innenaussagen zu wesentlichen hier relevanten Beweisthemen
a) Zeuge M.S.
Der Zeuge S. hat in seiner Vernehmung vom 18.06.2025 u.a. folgendes angegeben:
Es seien 3 Täter gewesen. Eine männliche Person, die ihn mit einer Pistole bedroht hat, eine weitere männliche Person mit einer Kalaschnikow und eine weibliche Person mit einer Panzerfaust. Er habe irgendwie an dem Aussehen erkannt, dass es sich um eine Frau handelt. Richtig erkennen habe er die Täter nicht können, weil alle Tücher vorm Gesicht hatten.
Die Person, die ihn mit einer Pistole bedroht hat, sei ungefähr so groß wie er selber oder einen Tick kleiner gewesen. Er, S., sei 1,94. Der Mann sei etwas älter als er gewesen und habe einen Bart getragen. Den habe er sehen können, als das Tuch mal etwas verrutscht war. Er könne heute nicht mehr sagen, ob es sich um einen angeklebten Schnurrbart gehandelt habe. An den Stirnfalten habe man erkennen können, dass er älter ist. Er würde ihn vom Gefühl her auf vielleicht 60 Jahre schätzen.
Die Person mit der Kalaschnikow sei jünger und etwas kleiner gewesen als die Person mit der Pistole. So ca. 1,80. Eine genauere Erinnerung an diese Person habe er heute nicht mehr.
Die Frau sei auch kleiner gewesen als die Person mit der Pistole und vom Alter her vielleicht so alt ähnlich alt wie dieser. Es würde sie auf 50 oder über 50 tippen. Vielleicht 55-57 Jahre alt, so um den Dreh rum. Er würde das Alter anhand der Statur und des Auftretens dieser Person heute so schätzen.
Auf Vorhalt, dass sich in seiner ersten Zeugenvernehmung am Abend des 25.06.2026 keine Angaben zum Alter der weiblichen Täterin finden würden, konnte sich der Zeuge dies nicht erklären und äußerte die Vermutung, dass dies „untergegangen“ sein könne. Von früher sei ihm nur noch erinnerlich, dass die Täter so in dem Alter waren, aber letztendlich erinnern könne er sich an die Personen heute gar nicht mehr.
Die Frau sei vielleicht 1,70, 1,75 gewesen und habe eine schmächtige Statur gehabt. An eine bestimmte Haarfarbe könne er sich nicht erinnern. Das Tuch habe eventuell bis zur Nase gereicht, er habe da aber heute kein konkretes Bild mehr. Er könne auch nicht mehr sagen, ob die Frau auch eine Kopfbedeckung getragen habe.
Zu der Situation vor Ort nach der Flucht der Täter hat der Zeuge S. insbesondere folgendes angegeben:
Es habe etwa eine Viertelstunde gedauert, bis die ersten Polizeifahrzeuge erschienen seien. Er sei zu diesem Zeitpunkt noch gefesselt gewesen. Kunden und Mitarbeiter seien dann aus dem Bettenlager-Geschäft herausgekommen und hätten geguckt, was los ist. Gemeinsam habe man auf die Polizei gewartet. Es seien dort nach seiner Erinnerung 2 Mitarbeiter vom Bettenlager gewesen, dazu 1-2 Kunden und eine Frau mit einem Kind. Dann seien noch andere von dem Lidl-Geschäft hinzugekommen. Was da gesprochen wurde, könne er nicht mehr sagen.
Wie dann später die Polizei mit den Zeugen umgegangen sei, könne er nicht mehr sagen. Er habe sich mit der Polizei vor Ort über das Geschehen unterhalten, aber direkt daran erinnern, was er dort für Angaben gemacht hat, könne er sich nicht mehr. Er wisse noch, dass er sich zusammen mit Polizeibeamten den Geldtransporter angesehen habe. Er sei gegen 19.00 Uhr von der Polizei zur Vernehmung nach Salzgitter gebracht worden.
Dem Zeugen S. wurde folgende Sequenz aus seiner Vernehmung von 25.06.2025 vorgehalten:
„Frage: Auch wenn Sie die zum Teil maskierten Personen nicht eindeutig gesehen haben, frage ich Sie, ob Sie auf vorgelegten Bildern sie wiedererkennen würden?
Antwort: Wir haben bei uns in der Firma Bilder von RAF-Terroristen hängen, die das angeblich in Wolfsburg gewesen sein sollen. In Wolfsburg wurden B.H. und M.K. überfallen, die arbeiten auch bei uns in der Firma.
Auf Frage: Ich habe mir die Bilder in der Firma von diesen RAF-Terroristen angeguckt. Im Moment habe ich wie ein Blackout.“
Hierauf bestätigte der Zeuge S., dass es in seiner Firma ein derartiges Plakat gegeben habe. Das sei irgendwann nach dem Überfall in Wolfsburg aufgehängt worden. Auf dem Plakat seien drei Personen abgebildet gewesen, zwei Männer und eine Frau.
Wörtlich sagte der Zeuge S.: „Ja, bei uns hing ein Bild von den dreien, da hat man dann gesehen, was das für welche sind und wenn man die so vergleicht, hätte man sich vorstellen können, dass es die waren.“
Er könne jetzt aber auf keinen Fall mit Sicherheit sagen, ob die Personen auf dem Plakat diejenigen sind, die sie überfallen haben. Das Problem sei, dass man ja das Bild gesehen habe, aber wenn man das dann in Natur sieht und die Personen Tücher vor dem Gesicht haben, könne man das nicht direkt beurteilen.
Dem Zeugen S. wurde zudem eine Sequenz seiner Nachvernehmung vom 11.01.2025 vorgehalten, in der es heißt:
„Bei uns auf der Arbeit hingen Bilder von den RAF-Terroristen. Die habe ich mir angesehen. Wenn ich mir die Masken auf den Bildern wegdenke, dann bin ich der Meinung, dass es sich bei der Person, die mich mit der Pistole bedroht hat um den „Bärtigen“ gehandelt haben könnte.“
Darauf erwiderte der Zeuge S.: „Ich sag mal so, dass kommt schon hin, der Einzige, der bei mir stand und wo ich sagen könnte, der könnte es gewesen sein.“
Dem Zeugen S. wurde zudem folgende protokollierte Aussage aus seiner Nachvernehmung vom 22.11.2017 vorgehalten:
„Ich habe jetzt letzte Woche bei Aktenzeichen diese Videos mit den Tätern gesehen. Da habe ich zu meiner Frau gesagt, die Frau auf dem Video war 100%-ig dabei.“
Hieran konnte sich der Zeuge S. nicht mehr erinnern. Aber über die Sendung Aktenzeichen xy sei ihm eigentlich schon klar gewesen, wer da gesucht wird. Zum Zeitpunkt des Überfalls sei es nur eine Vermutung gewesen, dass es die drei Gesuchten von der RAF waren. Als die Sendung dann ausgestrahlt wurde, habe sich die Vermutung dann bestätigt.
Wörtlich äußerte der Zeuge S. in diesem Zusammenhang:
„Aber man erinnert sich dann, dass die Frau bisschen jünger war und der Mann noch jünger, das kommt zum Vorschein.“
Über die Vermutung, dass es sich bei den Tätern um die Gesuchten von der RAF gehandelt haben könnte, habe man sich auch in der Firma mal unterhalten. Und auch über das, was seinen Kollegen M.K. und B.H. damals bei dem anderen Überfall in Wolfsburg geschehen ist. Mit dem H. habe er kurz nach dem Überfall gesprochen. Der habe auch die Vermutung hinsichtlich der Täter von der RAF geäußert. Er sei mit diesen Kollegen auch ein paar Mal gefahren. Und als ihm dann auch so etwas passiert sei, habe man sich auf der Fahrt darüber auch mal ein bisschen unterhalten. Später habe er aber bei dem Thema abgeblockt.
Auf die Frage, ob über die Vermutung, dass es sich bei den Tätern um die gesuchten Personen aus der RAF gehandelt haben könnte, erwiderte der Zeuge S.:
„Da hatten wir uns auch unterhalten, ja, glaube ich.“
Dem Zeugen wurde in diesem Zusammenhang auch ein Auszug aus einem Vermerk des PHK S. vorgehalten, in dem es heißt:
„Um 16.09 Uhr meldet die am Tatort als Führungsfahrzeug eingesetzte Fustw-Besatzung, dass es sich bei den Tätern um die gesuchten RAF Terroristen handele. Sie sind u.a. mit einem Sturmgewehr Kalschnikow bewaffnet gewesen.“ (FA Cremlingen Bd. 02, Bl. 93)
Er antwortete darauf:
„Ja wie gesagt, was da erzählt wurde, dazu kann ich nichts mehr sagen.“
b) Zeugin C.J.
Die Zeugin C.J. ist ebenfalls in der Sitzung vom 18.06.2025 vernommen worden.
Sie hat u.a. ausgesagt, dass sie mit ihrem Mann aus dem Bettenlager-Geschäft gekommen sei und am Steuer eines silbernen Kombifahrzeugs eine Frau wahrgenommen habe mit vollen schulterlangen blonden Haaren und einem Pony. Es habe nicht echt ausgesehen, eher wie eine Perücke. Später habe diese Frau mit dem Rücken zu ihr gestanden und habe ein Gewehr mit einer Beule getragen. Die Frau sei ihr etwa bis zur Schulter gegangen. Sie selber sei 1,74. Sie schätze diese Person auf höchstens 1,60. Die Person sei schlank, fast zierlich gewesen. Sie könne das Alter schlecht schätzen, die Frau sei mittleren Alters gewesen. Auf jeden Fall keine junge Frau mehr.
Die Zeugin bestätigte auf Vorhalt ihre Personenbeschreibung aus dem Vermerk des PK R. vom 26.06.2016, in dem es heißt:
„Frau J. und Herr J. beschrieben die Täter wie folgt:
– weiblich
– ca. 40 Jahre
– ca. 160-165 cm
– hellhäutig
– Schulterlanges Haar (Silber/blonde Haare, vermutlich Perücke)
– sehr hagere Statur“
Sie habe nur den Oberkörper der Frau sehen können. Sie habe möglicherweise etwas mit einem Latz getragen, es könnte etwas Grünes gewesen sein. Es sei aber alles sehr schnell gegangen.
Weiter habe sie eine Person mit einer Pistole gesehen, der jemand anderes bedroht habe. Dieser Mann habe eine schwarze Perücke getragen und einen angeklebten dunklen Schnauzer gehabt. Er habe ein ziemlich langes dünnes, eingefallenes Gesicht gehabt. Der sei ihr auch nicht so groß erschienen. Auf Vorhalt bestätigte die Zeugin, dass diese Person bestimmt einen Kopf kleiner als der Geldbote gewesen sei.
Er sei sehr schlank, sehr hager, gewesen. Diese Person sei auch mittleren Alters gewesen, 45 aufwärts, aber nicht 60.
Eine dritte Person sei mit einem Maschinengewehr aus einem blauen Auto ausgestiegen. Der habe nicht viel Haare gehabt und auffällige Zähne, das wisse sie aber nicht mehr genau. Sie könne das nicht beschreiben, sie sei ja nicht so nah dran an dieser Person gewesen. Vielleicht sei da auch eine Zahnlücke gewesen. Ob sie dies damals bereits bei der Polizei angegeben habe, könne sie nicht sagen. Aber sicher sei sie damals nach Auffälligkeiten bei dieser Person befragt worden. Der sei größer als der andere männliche Täter und ebenfalls mittleren Alters gewesen. Eine Maskierung habe sie bei keinem der Täter wahrgenommen, nur die Perücken.
Nachdem die Täter weg waren seien sie zur Besatzung des Geldtransporters gegangen und hätten gefragt, ob es allen gut geht und ob wer verletzt ist.
„Wir haben uns da so zusammengefunden, irgendwer saß da auf den Stühlen, man hat sich so besprochen, ob es allen gut geht.“
Es seien 5-10, maximal aber 15 Personen gewesen, die nach der Tat vor Ort gesprochen haben. Eine Frau mit Kind, die Mitarbeiter vom Bettenlager, 1-2 Personen vom Geldtransporter. Ihr Mann habe auf sie eingeredet und gesagt, dass doch nichts passiert sei. Dann habe man sich auch miteinander beschäftigt. Es habe etwa eine Viertel- bis halbe Stunde gedauert, bis die Polizei gekommen ist.
Sie vermute, dass ihr Mann und sie gemeinsam von der Polizei befragt worden seien. Das sei in der Nähe des Getränkelagers gewesen. Sie gehe davon aus, dass sie zuerst geredet habe. Diese Befragung habe abseits von den anderen Zeugen stattgefunden. Was die Polizei mit den anderen Zeugen gemacht hat, könne sie nicht sagen.
Auf die Frage, ob vor Ort bereits Thema gewesen sei, dass es sich bei den Tätern möglicherweise um die ehemaligen RAF-Mitglieder gehandelt hat, gab die Zeugin J. an, dass ihr das nicht mitgeteilt worden sei.
Sie könne sich heute nicht mehr daran erinnern, dass ihr bei der Vernehmung ein Fahndungsplakat vorgehalten wurde. Es könne schon sein, das sei aber schwierig nachzuvollziehen.
Aber im Internet habe sie da natürlich die Nachrichten gelesen. Das sei einem ja „wie auf einem Tablett serviert“ worden. Es habe im Internet ja auch Bilder von den gesuchten Personen gegeben.
Das seien verschiedene Bilder gewesen, auch von den Tatverdächtigen in jungen Jahren. Wann sie diese Nachrichten gelesen habe, könne sie heute nicht mehr sagen.
„Es kamen Nachrichten, weil ja dann auch irgendwann gesagt wurde, die und die könnten es gewesen sein, dann hat man es verfolgt aber das hat mir nicht gut getan und mein Mann sagte, lass es einfach.“
Die Polizei habe sich danach erst 2018 wegen der Vernehmung wieder bei ihr und ihrem Mann gemeldet. Dazwischen habe es keinen Kontakt zur Polizei gegeben.
Der Zeugin ist in diesem Zusammenhang aus dem Protokoll ihrer Vernehmung vom 01.02.2018 folgende Passage vorgehalten worden:
„Im Nachhinein habe ich mehrfach im Internet die Sache verfolgt und dabei auch Veröffentlichungen der tatverdächtigen RAF-Terroristen gesehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass einer tatsächlich Ähnlichkeit mit dem von mir beschriebenen Täter hat, der den Geldboten angegriffen hat.“
Die Zeugin bestätigte dies und gab an, die Person mit dem schlanken Gesicht wiedererkannt zu haben. Auf Vorhalt des Fahndungsplakats FA Cremlingen Bd. 4, Bl. 59 gab die Zeugin an, sie meine die Person auf den beiden Bildern ganz rechts. Der habe die Pistole gehalten. Bei den beiden anderen Personen sei es nicht so gewesen, dass sie hätte sagen können, ob die bei der Tat dabei waren oder nicht. An das Fahndungsplakat könne sie sich jedoch nicht konkret erinnern. Ob da auf den Bildern auch eine Person mit schlechten Zähnen zu sehen war, wisse sie auch nicht mehr.
c) Zeuge Z.J.
Der Zeuge Z.J. hat im Rahmen seiner Vernehmung am 18.06.2025 zu dem äußeren Erscheinungsbild der Täter in Cremlingen, zu den Umständen der Zeug*innenbefragungen vor Ort und der Frage, welche Rolle die Fahndung nach den vermeintlichen früheren RAF-Mitgliedern gespielt hat, u.a. folgende Angaben gemacht:
Er sei mit seiner Frau aus dem Geschäft des Dänischen Bettenlagers gekommen und habe einen weißen Bulli gesehen, der direkt vor der Eingangstür des Geschäftes geparkt habe. Rechts von ihnen habe er eine gestikulierende weibliche Person wahrgenommen. Auf einmal sei ein Kleinwagen in den Bus hineingekracht. Aus diesem Fahrzeug sei ein Mann ausgestiegen und habe eine Kalaschnikow herausgeholt.
Auf der anderen Seite habe er zuvor bereits wahrgenommene Frau mit einer Art Panzerfaust auf der rechten Schulter gesehen, die auf den Bulli zielte. Diese Person sei zwischen 50 und 60 Jahre alt gewesen, vielleicht auch ein bisschen älter. Sie habe schulterlange blond/braune Haare gehabt. Sie habe eine normale Statur gehabt und schien relativ sportlich zu sein.
Dem Zeugen wurde sodann seine Beschreibung der weiblichen Täterin aus der Zeugenvernehmung vom 01.02.2018, FA Cremlingen Bd. 4, Bl. 53 vorgehalten, wo es wie folgt heißt:
„Ca. 50 Jahre alt, vielleicht älter, größer als der Mann aus dem Corsa, etwa 170-175 cm. Sie hatte glatte, schulterlange Haare, vorne mit einem geraden Schnitt/Pony. Er ist der Meinung, es könne sich um eine Perücke gehandelt haben.“
Hierauf erwiderte der Zeuge J., dass er das mit der Perücke auf so eine Entfernung gar nicht erkennen könne. Er könne sich bei der Frau an eine blaue Hose erinnern. Er könne nicht 100%ig sagen, ob es auch eine grüne Latzhose gewesen sein könnte.
Der männliche Täter mit der Kalaschnikow sei kleiner als er, J., gewesen. Ca. 1,60-1,65 groß. Jedenfalls deutlich kleiner als er selbst. Er sei 1,79 groß. Dieser Täter habe braungraue Haare und ein schmales Gesicht gehabt. Keinen auffälligen Bart.
Den Täter, der bei dem Geldboten war, habe er gar nicht sehen können. Die beiden von ihm wahrgenommenen Täter seien beide nicht maskiert gewesen.
Nach der Tat habe man 15-30 Minuten auf das Eintreffen der Polizei gewartet. Es seien bis zu 12 Personen gewesen, die da auf die Polizei gewartet hätten. Er habe in dieser Zeit versucht, seine Frau zu beruhigen. Natürlich habe man darüber gesprochen, was gerade passiert ist. Ihm sei das aber nicht wichtig gewesen, wer da was gesagt hat. Eine Frau mit Kind habe mitbekommen, was in dem Laden geschehen ist.
Er sei am Tatort gemeinsam mit seiner Frau befragt worden. Es seien Personalien aufgenommen worden und dann hätten sie in groben Zügen schildern können, was sie gesehen hatten. Sie hätten beschrieben, wen sie da als Täter gesehen hatten. Seine Frau habe noch eine dritte Person gesehen.
In Bezug auf die Beschreibung der weiblichen Täterin habe es hinsichtlich der Schätzung des Alters zwischen ihm und seiner Frau Unterschiede gegeben. Heute könne er hinsichtlich des Alters der Frau keine Einschätzung mehr abgeben.
Dem Zeugen Herrn J. wurde sodann ein Auszug aus dem Vermerk des PK R., FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 108/109 vorgehalten, in dem es heißt:
„Frau J. und Herr J. beschrieben die Täter wie folgt: Fahrer des silberfarbenen Ford Mondeos: weiblich ca. 40 Jahre“
Er könne sich heute daran nicht mehr 100%ig erinnern. Das mag aber in dem Augenblick von ihm oder von ihnen beiden so gesagt worden sein können.
Auf Vorhalt des in dem genannten Bericht des PK R. von dem Ehepaar J. abgegebenen Schätzung des Alters des Täters aus dem Opel Corsa („ca. 40 Jahre“), gab der Zeuge an, dass das durchaus zutreffe. Er vergleiche es mit seinem Alter. „Ja, so 40 Jahre, man schätzt sich ja jünger als man ist.“
Bis zu der Vernehmung im Februar 2018 habe er dann keinen weiteren Kontakt zur Polizei gehabt. Eine Wahllichtbildvorlage sei nicht erfolgt.
Er habe schon vor der Tat von Cremlingen Fahndungsplakate gesehen. Bestimmt 1-2 Jahre vorher. Die Plakate hätten bei ihm in der Sparkasse und in mehreren Läden gehangen. Eine Person sei dem männlichen Täter ähnlich gewesen.
Auf Vorhalt des Fahndungsplakats FA Cremlingen Bd. 4, Bl.59, gab der Zeuge J. an:
„Der Mann links, den hab ich gesehen, glaube ich, aber ohne Mütze.“
Dem Zeugen wurde auch der Vermerk des Vernehmungsbeamten KHK Richter FA Cremlingen Bd. 4, Bl. 52 vorgehalten, in dem es heißt:
„Er (Herr J.) gab dazu an, dass er keine der dort abgebildeten Personen als den Fahrer des Corsa identifizieren könne. Die auf den kleineren rechten Bildern abgebildete Person entspreche etwa dem Typus; ihn irritiere auf diesen Bildern aber die Mütze und die Brille. Daher sei er sich nicht sicher.“
Der Zeuge J. sagt hierzu, dass er da heute „keine Ahnung“ mehr habe.
d) Zeuge D.J.
Der Zeuge D.J., Angestellter im Dänischen Bettenlager, hat in der Sitzung vom 01.07.2025 u.a. folgendes angegeben:
Er habe insgesamt Täter wahrgenommen. Eine vermummte männliche Person habe er bei dem damaligen Geldtransporteur gesehen. Diese Person habe einen Schal vor dem Mund gehabt, einen angeklebten Bart getragen und dunkle, graumelierte Haare gehabt. Er habe sofort sehen können, dass der Bart nur angeklebt war. Es habe sich um einen Oberlippenbart gehandelt.
Auf Vorhalt seiner Personenbeschreibung FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 57, in der nicht aufgeführt ist, dass es sich um einen angeklebten Bart handelte, gab der Zeuge J. an, er sei damals sehr viel gefragt worden, auch mehrfach, es sei eine Ausnahmesituation gewesen. Er wisse nicht, ob er das damals so angegeben hat oder nicht.
Diese männliche Person schätze er auf 1,75-1,80 bzw. (auf entsprechenden Vorhalt) auf 1,80-1,85, einen Kopf kleiner als der Geldabholer. Das Alter sei aufgrund der Vermummung für ihn nicht bestimmbar. Auf Vorhalt seiner Aussage aus der polizeilichen Vernehmung vom 25.06.2016 (FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 57: „um die 50 Jahre alt“) erwiderte der Zeuge J.: „Ja, keine 30 und keine 60.“ Auf die Gesichtsform oder die Zähne habe er nicht geachtet.
Der Täter habe seine Maskierung immer wieder hochziehen müssen. Immer, wenn er nach oben geschaut habe, sei der Schal etwas heruntergerutscht.
Aus einem Ford Mondeo sei eine Frau ausgestiegen, die eine Panzerfaust auf die Schulter genommen habe. Diese Frau habe eine blonde Perücke getragen. Auf Vorhalt, dass in seiner polizeilichen Vernehmung nicht von einer Perücke die Rede ist, konnte er sich dies nicht erklären. Er würde seine Hände dafür ins Feuer legen, dass es sich um eine Perücke gehandelt hat.
Zum Alter oder zur Kleidung dieser Person könne er nichts sagen. Er habe das nicht so mit der Alterschätzung. Mittleres Alter würde er sagen. Vielleicht zwischen 40 und 50. Aber es sei sicher eine Frau gewesen. Das habe er an der Statur und an der Perücke erkannt. Auf Vorhalt der protokollierten Aussage FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 57: „Von der Statur her könnte es sich bei dieser Person um eine weibliche Person gehandelt haben“ erwiderte der Zeuge J.:
„Ja, das ist der schöne Wortlaut des Beamten, der hat es falsch wiedergegeben. Also es war definitiv ne Frau, also ja, das muss ein Protokollierungsfehler sein.“
Eine Vermummung außer der Perücke habe er nicht festgestellt. Er habe das als Perücke erkannt, weil die Haare so steif waren und nicht gefallen sind. Es habe genau 21 Minuten gedauert, bis das erste Polizeifahrzeug gekommen ist. Zunächst sei ein TS gekommen, der sei aber erst einmal wieder weggefahren.
Nachdem die Täter weg waren, habe er erstmal die Kunden zusammengehalten und beruhigt. Alle hätten sich draußen versammelt. Es sein so 6-8 Kunden dort versammelt gewesen und 3 Mitarbeiter der Filiale. Seine Kollegen Herr M.S. und der R.M. seien dabei gewesen. Die Kunden habe er namentlich nicht gekannt. Man habe sich irgendwie über den Ablauf der Tat unterhalten. Was genau gesprochen wurde, könne er nicht sagen. Alle seien geschockt gewesen. Nicht nur über die Waffen, über die gesamte Situation habe man gesprochen. Auch über den Schuss in die Decke. Und über die Personen, die das gemacht haben.
In der Filiale habe eine 9 mm Patronenhülse gelegen, davon habe er auch ein Foto gemacht. Als die Polizei kam, habe er diese auf die Patronenhülse aufmerksam gemacht. Er habe der Polizei gesagt, wo er gestanden habe und wo das passiert ist. Das sei gemeinsam mit Herrn M.S. gewesen und der R.M. sei auch in der Nähe gewesen.
Er sei sicher von der Polizei vor Ort auch zum Tatablauf befragt worden, das habe er aber nicht mehr im Kopf. Aber bestimmt habe er geschildert, was da geschehen ist. Man sei hier und da was von der Polizei gefragt worden.
Später sei er auf die Polizeiwache gebracht worden, es habe alles ewig gedauert. Es sei gut möglich, dass es ca. 3,5 Stunden gedauert hat, bis er zur Polizeiwache gebracht wurde. Dort habe er dann auch noch lange auf den Vernehmer warten müssen. Erst um halb eins sei er nach Hause gekommen. Er sei zusammen mit seinen beiden Kollegen in einem Fahrzeug zur Wache gebracht worden. Die Kunden habe er auf der Wache nicht mehr gesehen.
Auf die Frage, ob bereits vor Ort Vermutungen darüber geäußert worden seien, um wen es sich bei den Tätern gehandelt haben könnte, antwortete der Zeuge J.:
„Nein, da es war erst in der Vernehmung bzw. eigentlich durch die Nachrichten. Es gab ja mehrere Geldtransporterüberfälle auch in Wolfsburg, also man ist von nem typischen Überfall ausgegangen.“
Auf die Frage, ob diese Vermutungen hinsichtlich der Täter bereits in der polizeilichen Vernehmung eine Rolle gespielt hätten, gab der Zeuge folgendes an:
„Es gab ja mehrere Geldtransporterüberfälle auch in Wolfsburg, also man ist von nem typischen Überfall ausgegangen.(… ) Und dann hat man natürlich wochenlang drüber gesprochen, es wurden dann ja auch überall in den Dörfern Aushänge mit den 3 Gesuchten gemacht, das war aber erst danach.“
Er hätte nicht zuordnen können, ob die Personen, die auf dem Fahndungsplakat zu sehen waren, die Täter waren. Er habe „auf alles geachtet, aber nicht auf die Nasen der Personen.“ Seinen Kollegen sei es auch so gegangen. Man habe mehrfach darüber gesprochen, aber keiner habe auf diese Personen auf dem Plakat gezeigt und gesagt: Der war es!
Die Sache sei halt auch viel in den Nachrichten und ein großes Thema im Freundeskreis gewesen. „Sie glauben gar nicht wie oft ich diese Geschichte erzählen musste.“
Bei seiner Vernehmung habe es 3 „Fotosessions“ gegeben, ihm seien 3 Fotomappen vorgelegt worden. Da seien auch weibliche Personen zu sehen gewesen. Er habe dabei aber niemanden erkennen können.
e) Zeugin A.N.
Die Zeugin, Angestellte im „Hol-Ab-Getränkemarkt“ hat ebenfalls in der Sitzung vom 01.07.2025 ausgesagt.
Man habe seitlich rüber einen Blick auf den Geldtransporter gehabt und gesehen, dass da eine männliche Person mit einer Waffe stand, die den Fahrer bedroht hat.
Von hinten habe sie dann noch eine weibliche Person mit einem panzerfaustähnlichen Gegenstand gesehen. Diese Frau habe ein dunkelblaues Kleid mit Blümchenmuster getragen und dunkle bis schwarze Haare gehabt. Das Kleid sei dunkel gewesen, schwarz oder dunkelblau, leicht tailliert, knapp über die Knie reichend. Kurze oder halblange Ärmel. Es seien kleine Blümchen auf dem Kleid gewesen, heller als der Stoff. Über das ganze Kleid verteilt. Das Kleid habe sie mehr getriggert. „Sowas sieht man halt nicht ständig.“
An dem Kleid und der leichten Taille habe sie erkannt, dass es sich um eine Frau handelt. Warum in ihrer Zeugenvernehmung das Wort „Frau“ in Anführungszeichen gesetzt worden ist, könne sie sich nicht erklären.
Die Haare seien länger gewesen. Ob die Person einen Zopf trug, könne sie nicht sagen. Da sie die Haare sehen konnte, würde sie sagen, dass diese Täterin nicht maskiert war.
Auf Vorhalt der folgenden Passage aus dem Protokoll ihrer polizeilichen Vernehmung vom 25.06.2016: „Von hinten sah es so aus, als ob die Person eine Maske auf hatte. Hinten schauten blonde, leicht gelockte schulterlange Haare heraus“ (FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 70) erwiderte Frau N., dass sie heute dunkle Haare erinnere.
Es sei schwer für sie, zum Alter dieser Frau etwas zu sagen, da sie diese nur von hinten gesehen habe. Vielleicht irgendwo so um die 50, das sei aber geraten. Die Größe dieser Frau habe vielleicht 1,60, 1,65, nicht größer als 1,70 betragen. Das sei aber aus der Entfernung schwer einzuschätzen gewesen. Von der Statur sei die Frau „schon etwas stabiler“ gewesen, nicht superschlank, nicht dick, normal. Auf Vorhalt der Angaben aus ihrer Zeugenvernehmung vom 25.06.2026, FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 70: „Körperstatur war stabil aber nicht dick. Ich schätze so ca. 80 kg und ca. 170 cm groß“, erwiderte die Zeugin N.: „Ja, schon stabiler, aber nicht fett.“
Zu dem männlichen Täter könne sie sagen, dass sie den an der Stimme als Mann erkannt habe. Sie könne nicht sagen, ob der maskiert gewesen sei. Auf einen Vorhalt aus ihrer Zeugenvernehmung, wonach dieser Täter mit einer schwarzen Sturmhaube maskiert gewesen ist (FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 70), gab die Zeugin an, sich hieran nicht mehr erinnern zu können. Auch die früheren Angaben zur Größe und Statur dieser Person konnte die Zeugin nicht mehr erinnern.
Ob damals bei ihrer Vernehmung ein Bezug zu den früheren RAF-Angehörigen aufgetan worden ist, könne sie jetzt nicht mehr sagen. Auch an die Vorlage von Wahllichtbildern konnte sich die Zeugin trotz eines entsprechenden Vorhalts (FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 72) nicht erinnern.
Zu der Situation vor Ort nach dem Entfernen der Täter hat die Zeugin N. insbesondere folgendes ausgesagt:
Es habe ca. 20-30 Minuten gedauert, bis die Polizei vor Ort gewesen sei. In dieser Zeit habe sie noch keinen Kontakt zu den Mitarbeitern des Dänischen Bettenlagers gehabt, später dann schon. Aber „wild ausgetauscht“ habe man sich nicht.
Sie sei vor Ort von 2 Beamten befragt worden und später dann auf der Wache in Cremlingen vernommen worden. Vor Ort sei sie sicher gefragt worden, was sie gesehen habe, es sei aber eine relativ kurze Befragung gewesen, an deren Inhalt sie sich heute nicht mehr erinnern könne. Diese Befragung habe draußen stattgefunden. Sie meine sich zu erinnern, dass die Personalien getrennt voneinander aufgenommen worden seien, habe aber heute kein Bild mehr von der konkreten Situation.
Auf die Frage, ob sie irgendeine Erinnerung daran habe, ob es vor Ort bereits Gespräche zum Thema RAF bzw. der Fahndungsplakate gegeben habe, meinte die Zeugin N.:
„Ich glaube das kam dann durch Gespräche, weil irgendwer meinte, könnte ja sein, so direkt ich selber in dem Moment erstmal nicht.“ Ob das aber am Tag des Geschehens selbst gewesen ist, könne sie nicht mehr sagen.
f) Zeuge M.S.
Der Zeuge M.S. war am Tattag als Filialleiter des Dänischen Bettenlagers in Cremlingen vor Ort. Er wurde ebenfalls in der Sitzung vom 01.07.2025 vernommen.
Er habe gesehen, wie der Geldtransporter vorgefahren sei. Der ausgestiegene Mitarbeiter sei dann von einem männlichen Täter in dem Geschäft angerempelt worden. Der Täter habe einen Schuss in die Decke abgegeben. Anschließend hätten beide den Laden verlassen. Sie hätten dann draußen vor dem Geldtransporter gestanden. Vor und hinter dem Geldtransporter hätten 2 weitere Täter gestanden. Die vordere Person habe eine Art Panzerfaust getragen, die hintere Person eine Kalaschnikow. Insgesamt habe er 3 Täter wahrgenommen.
Die männliche Person, welche den Schuss in die Decke abgegeben hat, beschrieb der Zeuge M.S. wie folgt:
Der erste Eindruck sei gewesen, dass dieser wie ein „Penner“ aussehe. Ungepflegt. Dieser habe eine graubraune Perücke auf dem Kopf gehabt, die später verrutscht oder heruntergefallen sei. Er meine, dass er noch das Bild vor Augen habe, wie dieser Täter die Perücke aufgehoben habe. Auch dessen Bart sei dann runtergerutscht. Er sei sich zu 90% sicher, dass das mit dem Bart seine eigene Erinnerung sei. Er meine, dass sich der Täter den Bart dann wieder angeklebt habe. Es sei ein kleiner Schnauzer gewesen.
Auf die Frage, ob er die Sache mit der Perücke vielleicht auch von anderen Zeugen gehört haben könnte, gab der Zeuge M.S. an, dass er eigentlich davon ausgehe, dass es seine Erinnerung sei. Aber „wissen Sie, wie schnell sich sowas festsetzen kann?“
Auf Vorhalt, dass sich zu einer Perücke bei dem Mann in dem Protokoll seiner polizeilichen Vernehmung nichts finde, meinte der Zeuge: „Hmm, also wenn ich dann nichts gesagt habe, dann vielleicht nicht.“
Dem Zeugen wurde weiter vorgehalten, dass sich in seiner Vernehmung dieses männlichen Täters auch kein Hinweis auf einen Bart oder einen angeklebten Bart finde. Hierauf antwortete der Zeuge:
„Ja witzig, das hätte ich sonst 100% gesagt. Ich bin mir eigentlich sicher, dass ich das gesagt habe.“
Das Alter dieser Person sei schwer zu bestimmen, heute schätze er dies auf „50+“. Der Mann sei nicht riesengroß, nicht klein gewesen, so ca. 1,70-1,80, eine „normale Erscheinung.“ Er glaube, dass der nicht maskiert war, sonst hätte er den Bart schließlich nicht sehen können.
Dem Zeugen M.S. wurde seine Personenbeschreibung aus dem Protokoll seiner polizeilichen Vernehmung vom 25.06.2026 vorgehalten, in der es wie folgt heißt:
„Der ungepflegte Mann war etwa 50-60 Jahre alt, graue Haare, normaler Haarschnitt, ich glaube ein grau-blaues Tuch im Gesicht, etwa 1,80 Meter groß, normale Gestalt, keine Brille, Bekleidung weiß ich nicht.“ (FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 88)
Er erwiderte daraufhin: „Ja, kommt etwa hin.“
Ein Tuch habe er aber gar nicht im Kopf. Es könne sein, dass das abgegangen sei. An eine Maske könne er sich jedenfalls nicht erinnern.
Zu der Person mit der Panzerfaust machte der Zeuge M.S. insbesondere folgende Angaben:
Er meine, diese Person als Frau erkannt zu haben. Er glaube, dies am Gesicht erkannt zu haben. Es seien „weiche, frauliche“ Gesichtszüge gewesen. Zur Kleidung der Frau könne er keine Angaben machen.
Sowohl bei dem zuerst beschriebenen Täter als auch bei der Person mit der Panzerfaust müsse er allerdings „ein bisschen aufpassen“, weil er meine, diese beiden schon vorher gesehen zu haben. In diesem Zusammenhang berichtete der Zeuge, dass er in der vergangenen Woche mindestens einmal zwei Personen beobachtet habe, die etwas länger auf einem Findling vor dem Lidl-Geschäft gesessen hätten. Erst nach dem Überfall habe er bei diesen Personen Parallelitäten zu den Tätern des Raubüberfalls festgestellt, vorher seien ihm diese Personen nicht verdächtig erschienen. Heute denke er, dass es sich bei diesen beiden Personen um den, der den Mitarbeiter der Geldtransportfirma bedroht hat, und um die Täterin gehandelt hat. Diese Frau habe kürzere dunkle Haare gehabt und eine Sonnenbrille getragen. Genauso würde er die Person vor dem Geldtransporter beschreiben. Die ungepflegt erscheinende Person habe er mit dem Pärchen auf dem Findling nicht in Verbindung gebracht.
Dem Zeugen wurden in diesem Zusammenhang seine Beschreibung der Frau auf dem Findling vorgehalten (FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 89):
„Die Frau auch über 40 Jahre, schwarze Haare, Bob-Frisur, beide trugen Sonnenbrillen.“
Er bestätigte diese Beschreibung.
Irgendwer habe später auch bei der Frau etwas von einer Perücke gesagt. „Ja, wir sind drauf gekommen, ja.“
Auf Vorhalt aus dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 88: „Die Frau hatte blonde Haare bis zu den Schultern“ erwiderte der M.S.: „Waren die nicht schwarz? Ah, ok.“ Blond wundere ihn.
Auf die Frage, ob die weibliche Täterin maskiert gewesen sei, gab der Zeuge an, dass das Problem sei, dass er nur noch das Bild der Frau auf dem Findling mit der Sonnenbrille in Erinnerung habe. Diese Frau habe ähnliche Gesichtszüge wie die Täterin gehabt.
Zur Gestalt der Täter sei für ihn eine Beschreibung schwierig. In sitzender Position hätten sie normal ausgesehen, in stehender Position mit den Waffen dünn.
Der männliche Täter mit der Kalaschnikow, welche hinter dem Geldtransporter gestanden habe, habe – glaube er – ein Dreieckstuch um den Kopf gehabt und wahrscheinlich auch eine Kopfbedeckung.
Auf Vorhalt der Beschreibung dieser Person in der polizeilichen Vernehmung (FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 88):
„Der war richtig dürr, ca. 175-185 cm groß, schwarzes Tuch im Gesicht wie die Motorradfahrer“, antwortete der Zeuge M.S.: „Ja das mit dem Motorradfahrer, das ja, das Tuch macht ja viel aus.“
Nach der Tat habe man draußen gemeinsam auf die Polizei gewartet. Es habe lange gedauert, bis die gekommen ist. Sie seien zu dritt vom Laden gewesen und dann noch 3 Kundinnen, eine jüngere Frau mit ihrem Kind und deren Mutter oder Tante. Gemeinsam habe man sich ziemlich lange unterhalten. Man habe sich definitiv über das Erlebte unterhalten, auch über Personenbeschreibungen. Was genau da gesagt wurde, wisse er aber nicht mehr. Man habe draußen auch den Geldboten, M.S., zu beruhigen versucht. Mit dem habe er sich im Nachhinein auch unterhalten.
Später sei er auf der Wache gewesen. Er habe dort bestimmt zwei Stunden warten müssen, während Herr J. vernommen wurde. Er habe zusammen mit dem R.M. warten müssen.
Sie hätten in der Filiale ein Fahndungsbild gehabt. Er könne heute nicht mehr sagen, ob er das vor dem Überfall gesehen habe, wisse er nicht mehr. Aber so etwas präge sich halt ein. Ob es auch ein Fahndungsplakat auf der Wache gegeben hat, wisse er nicht. Er denke, dass man ihm auf der Wache auch Bilder gezeigt habe, so „Gesichtserkennungskram“. Was da herausgekommen ist, wisse er nicht mehr. Auf Vorhalt aus dem Protokoll der polizeilichen Vernehmung
„Mir werden zwei Bildmappen vorgelegt, ich kann keinen wiedererkennen.“
gab der Zeuge an, dass er lieber nein sage, als anzufangen zu spekulieren.
Auf die Frage, ob im Zusammenhang seiner polizeilichen Vernehmung auch die gesuchten Personen von der RAF ein Thema gewesen seien, antwortete der Zeuge M.S.:
„Ja, das ist die Frage, das kann ich nicht 100%ig sagen. Es sind mal die Namen der RAF-Terroristen gefallen, aber ob es unmittelbar bei der Vernehmung war oder im Revier binnen der 3-4 Stunden, wir waren mit einem Auto da, und ich kann nicht mehr sagen, ob das innerhalb oder außerhalb der Vernehmung war. Aber ich weiß noch, dass der Name gefallen ist, die RAF-Terroristen. Entweder im Rahmen der Vernehmung oder in der Wartezeit ist das definitiv erörtert worden.“
Ob da konkret bereits die Namen gefallen sind, wisse er nicht mehr genau. Das Problem sei, dass man ja nachrecherchiere. Ob da nun an dem Tag selber die Namen gefallen sind oder 2 Wochen danach, das wisse er nicht mehr.
g) Zeuge H.-W. H.
Der Zeuge H. war am Tattag als Kunde vor Ort und wurde ebenfalls in der Hauptverhandlung am 01.07.2025 vernommen.
Er habe auf dem Parkplatz eine Frau in seinem Alter in einem Mondeo wahrgenommen, welche ihn etwas unwirsch rübergewunken habe. Diese Frau habe er dann mit einer Panzerfaust vor dem Geldtransporter wiedergesehen. Später habe diese Frau eine MP in der Hand gehabt. Es seien noch zwei andere Männer dagewesen, und man habe auch schnell Schüsse gehört. Er habe aber nichts gesehen, da sich dies auf der rückwärtigen Seite des Geldtransporters abgespielt habe. Später habe er die Männer etwas tragen sehen, möglicherweise die Beute. Sie hätten nach seiner Erinnerung Pistolen gehabt.
Aus seiner Erinnerung seien alle Täter dunkel gekleidet gewesen, auch die Frau. Er könne aber nichts sagen, ob diese einen Rock, ein Kleid oder eine Hose getragen hat. Auffällig sei gewesen, dass sie offensichtlich eine Perücke auf hatte. Sie habe glatt geschnittenes Haar gehabt, welches sehr unnatürlich ausgesehen habe, wie Plastik. Die Haare seien dunkel gewesen. Schulterlang, ein gerader Haarschnitt. Die Frau sei schlank gewesen, sonst habe sie keine besonderen Merkmale gehabt.
Dem Zeugen H. wurde aus seiner polizeilichen Vernehmung vom 28.06.2026 zunächst folgende Passage vorgehalten:
„Zur Beschreibung der Frau kann ich folgendes angeben: zierliche Gestalt; ca. 165cm groß; auffallend bis über die Ohren reichende blonde Haare, vermutlich eine Perücke.“ (FA Cremlingen Bd. 2, Bl. 86).
Hierauf antworte er: „Ok, heute ist meine Erinnerung dunkel.“
Auf weiteren Vorhalt der sich im Vernehmungsprotokoll anschließenden folgenden Passage:
„Mitte bis Ende 50; bekleidet mit dunkler Hose, Oberbekleidung nicht bekannt; Schuhe nicht bekannt; trug vor dem Gesicht ein Tuch, welches das Gesicht halb verdeckte“
gab der Zeuge an, dass ihm dies entfallen sei.
Auf Vorhalt bestätigte der Zeuge sodann, dass die Täterin bei dem ersten Blickkontakt ein älteres Gesicht gehabt habe.
Dem Zeugen H. wurde sodann ein Vorhalt aus einem Vermerk des Polizeibeamten KOK S. über ein mit diesem geführten Telefonat gemacht, in dem er zu der Täterin folgende Angaben gemacht haben soll:
„Die Fahrerin, eine 50-60-jährige Frau, zierlich, für ihr alter zu blondes Haar, seiner Vermutung nach eine Perücke.“ (FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 100)
Der Zeuge gab dazu an, dass er sich hieran nicht mehr erinnern könne.
Die beiden Männer seien größer gewesen. Diese hätten falsche Schnurbärte gehabt, es habe alles nach Kölner Karneval ausgesehen. An mehr könne er sich im Detail nicht erinnern. Er kriege die kaum auseinandergehalten. Der eine habe einen schwarzen Schnauzer gehabt, der andere einen angeklebten Vollbart. Auf Vorhalt aus seiner polizeilichen Vernehmung FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 86 ergänzte der Zeuge, dass der eine Täter eine Perücke und einen Vollbart gehabt habe. In dem vorgehaltenen Vernehmungsprotokoll heißt es hierzu: „Da bin ich mir aber nicht ganz sicher, ob ich das selbst gesehen habe, oder es mir von Zeugen erzählt worden ist.“
Es habe eine längere Wartezeit von 20-45 gegeben, bis die Polizei gekommen sei. Alle zusammen hätten in dieser Zeit auf die Polizei gewartet. Da sei das Personal aus dem Getränkemarkt gewesen und ein paar Kunden, so etwa 5-7 Leute.
Alle hätten zusammengestanden, die aus dem Getränkemarkt, die aus dem Bettenlager. Der Beifahrer sei noch immer mit Handschellen gefesselt gewesen. Der Fahrer habe das Auto verlassen gehabt, er sei erregt gewesen und habe gezittert. Eine Frau mit Kind war anwesend in unmittelbarer Nähe, die habe sich dann aber etwas entfernt.
Der Beifahrer war noch immer mit Handschellen gefesselt gewesen. Der Fahrer habe das Auto verlassen gehabt, er sei erregt gewesen und habe gezittert. Eine Frau mit Kind war anwesend in unmittelbarer Nähe.
„Da hat es sicherlich die eine oder andere Besprechung gegeben.“ Man habe sich über das gesamte Geschehen unterhalten. In der Art von: „Was war das für ein Auto, was waren das für Leute, habt ihr sowas schon erlebt?“
Es sei auch darum gegangen, ob das die gleichen Täter waren wie bei den anderen Überfällen. Darüber habe man spekuliert. Wahrscheinlich sei es auch über das äußere Erscheinungsbild der Täter gegangen, daran könne er sich aber nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich sei auch über die Verkleidung, die Perücken, gesprochen worden. Auch sei es möglich, dass über den Oberlippenbart des einen Täters gesprochen worden ist. Heute sei er sich sicher, dass es den gegeben hat. In der Seitentür des Busses sei auch ein Einschussloch zu sehen gewesen. Es seien dann zunächst 2 Polizisten zum Tatort gekommen. Diese seien erstmal zu allen, die da zusammen in der Zone gewartet hätten, gekommen.
Am Anfang sei alles bisschen durcheinander gegangen, alle seien aufgeregt gewesen und hätten erstmal ihren „input“ geben wollen. Dann seien die Beamten – damit es etwas geordneter wird – dazu übergegangen, alle einzeln zu befragen. Die Polizistin habe noch die Personalien aufgenommen, dann habe es sich verlaufen.
Personenbeschreibungen habe es in der Situation vor Ort noch nicht gegeben, dazu habe er erst in seiner Zeugenvernehmung nähere Ausführungen gemacht.
In diesem Zusammenhang wurde dem Zeugen H. ein Passus aus einem Vermerk der Beamtin PK’in H. FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 110 über „erste Befragungen der Zeugen“ vorgehalten, nach dem vom Zeugen H. vor Ort eine Personenbeschreibung der weiblichen Täterin abgegeben wurde und es sodann heißt:
„Herr A. gibt an, sich ebenfalls in dem Getränkemarkt befunden zu haben. Die Ausführungen des Herr H. könne er bestätigen.“
Dies war dem Zeugen H. nicht mehr erinnerlich.
Dem Zeugen wurde sodann auch aus dem genannten Vermerk der PK’in H. folgender Satz vorgehalten:
„Über die Anwesenheit weiterer Täter sowie die Fluchtrichtung könne er (der Zeuge H.) nichts sagen.“
Dies konnte sich der Zeuge H. ebenso wenig erklären, wie die Tatsache, dass auch in dem Vermerk des Polizeibeamten KOK S. über das Telefonat mit dem Zeugen H. noch am Abend des Tattages kein Hinweis auf von ihm beobachtete männliche Täter zu finden ist. Vielleicht habe man ihn einfach nicht danach gefragt.
Bei seiner Vernehmung auf der Polizeiwache seien ihm keine Bilder vorgelegt worden. RAF-Fahndungsplakate habe er gesehen, er erinnere sich an solche Plakate, da habe es auch eine Zeichnung eines Polizeizeichner von der Frau gegeben. „Man denkt sich so, ja, das könnte sie gewesen sein, aber durch ein Autofenster, durch eine Frontscheibe, das ist nur ein kurzer Moment gewesen und danach von schräg hinten, das ist für mich nicht zu beantworten.“
Er habe auf dem Fahndungsplakat niemand wiedererkannt. Auf Vorhalt aus dem Vernehmungsprotokoll Bl. 86: „Ich würde die Person eher nicht wiedererkennen. Ich habe mir natürlich nach dem Vorfall auch die Fahndungsfotos der drei gesuchten RAF-Terroristen angeschaut und bin schon der Meinung, dass es sich bei der weiblichen Person um die gesuchte Daniela Klette gehandelt haben könnte“, gab der Zeuge H. an:
„So wie ich eben gesagt habe, die Zeichnung auf dem Plakat, die passte halbwegs zu der Fahrerin des Mondeo, aber wie Frau Klette zu dem Zeitpunkt ausgesehen hat, kann ich nicht sagen, weil ich sie ja nicht kenne.“
Es habe so ein Bild der jungen Frau Klette gegeben, wo diese so 20-25 Jahre alt war, und jemand habe wohl versucht, das zu transformieren in eine Frau Mitte 50. Von den Männern habe es Fotos gegeben. Er habe da niemand erkannt.
h) Zeuge I.B.
Der Zeuge I.B. ist am Tattag als Kunde vor Ort gewesen und hat in der Sitzung vom 02.07.2025 u.a. folgende Angaben gemacht:
Er habe da den Geldtransporter und jeweils einen Kleinwagen direkt davor und dahinter gesehen. 2 Leute seien bei diesen Fahrzeugen gewesen, einer mit Panzerfaust und einer mit Gewehr. Er habe seine Beobachtungen von der Einfahrt des Parkplatzes gemacht, Luftlinie etwa 70-80 Meter entfernt.
Die beiden Personen seien dunkel gekleidet gewesen, er habe nicht erkennen können, ob es sich um Männer oder Frauen gehandelt habe. Die Täter hätten Sturmmasken aufgehabt, er könne die Masken aber nicht mehr beschreiben. Die Größe der Täter habe etwa 1,75-1,80 betragen. Auf Vorhalt seiner Aussage im Rahmen der polizeilichen Vernehmung FA Cremlingen Bd. 2, Bl. 4, wonach die Person mit der Panzerfaust größer war als der andere Täter, gab der Zeuge I.B. an, dass er dies am Anfang so gesagt habe, im Zuge der Aufregung könne man aber eigentlich nicht sagen, wer größer gewesen ist. Er würde heute sagen, dass die Täter gleich groß waren.
Beide Täter hätten eine normale Statur gehabt. Haare seien aufgrund der Maskierung nicht zu erkennen gewesen. Die Person mit der Panzerfaust könne er nicht mehr beschreiben. Er könne nicht sagen, ob diese eine frauliche Statur gehabt habe. An einen dritten Täter habe er keine Erinnerung.
Er sei mit seinem Auto dann weggefahren. Er habe später mit keinen anderen Zeugen über den Vorfall gesprochen.
i) Zeuge J.F. (ehemals W.)
Der Zeuge F. war am Tattage nicht vor Ort und konnte nur Bekundungen zu früheren Wahrnehmungen machen. Er wurden ebenfalls in der Sitzung vom 02.07.2016 vernommen.
Der Zeuge schilderte, dass er einige Tage vor dem Überfall einen weißen Bulli/Transporter mit 3 Personen auf dem Parkplatz gesehen habe. Er habe die Personen nicht genau sehen können. Danach habe er dieses Fahrzeug wieder gesehen, es habe da vor dem Lidl-Geschäft gestanden und die Insassen hätten wieder in Richtung seines Geschäftes geschaut. Er könne nicht sicher sagen, dass da immer 3 Personen drinsaßen. Auf Vorhalt FA Cremlingen Bd. 2, Bl. 9, wonach der Zeuge F. im Rahmen seiner Vernehmung vom 28.06.2016 nur von 2 Personen in dem weißen Fahrzeug gesprochen hat, gab der dann Zeuge an, dass es beim ersten Mal 2 und beim zweiten Mal dann 3 Personen gewesen seien.
Die Personen seien ihm nicht mehr vor Augen gewesen, dies sei erst durch die Bilder gekommen, welche die Polizei ihm danach gezeigt habe. Diese Personen habe er ein paar Tage vor dem Überfall in seinem Markt gesehen. Da sei eine Frau in dem Abholmarkt gewesen, er sei damals da neu und insofern aufmerksam gewesen. Die Frau habe sich komisch verhalten und nichts gekauft. Sie habe ihn an der Kasse mehrfach in Gespräche verwickelt und ihn unter anderem nach den Öffnungszeiten und nach kostenlosen Fan-Artikeln gefragt. Soweit der Zeuge im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung ausweislich FA Cremlingen Bd. 2, Bl. 10 etwas von Tattoos an den Arminnenseiten der Frau berichtet hatte, konnte er sich hieran nun nicht mehr erinnern.
Auf Vorhalt wurden zu den Äußerlichkeiten noch folgende Angaben aus dem Vernehmungsprotokoll bestätigt:
„Ich schätze sie auf 50 bis 60 Jahre alt, auffällig war, dass sie sehr viel Falten im Gesicht hatte, dunkler Teint, schlanke Gestalt, geschätzt etwa 1,75 bis 1,80 Meter groß“
und
„Ihre Stimme war für eine Frau recht rauchig und tief.“
sowie
„Keine Brille, schwarze Haare, länger als schulterlang, ungepflegt und zerzaust“
Als dann der Überfall passiert sei habe er sofort gesagt: „Das war diese Frau und das war der Herr“.
Die Frau habe sehr gut gerochen, ein sehr weibliches markantes Parfum gehabt, und anhand der Bilder, die er vorher noch nicht wahrgenommen hatte, habe er festgestellt: „Ok, die hab ich gesehen, das waren die!“
Die Frau sei im Kassenbereich gewesen und der Mann an der Kasse gegenüber. Die Polizei habe ihnen die Fotos gezeigt und sie gefragt, ob sie diese Personen gesehen hätten. Daraufhin habe er gesagt: „Ja, die waren das.“ Das seien die klassischen Fotos gewesen, die überall als Fahndungsplakate hingen.
Die Dame habe blaue Jeans getragen, sehr, sehr eng geschnitten. Sie habe schwarzes, langes, leicht gewelltes Haar gehabt, bis über die Schultern, vielleicht bisschen länger. Sie sei kleiner als er, F., gewesen. Er sei 1,86, 1,87. Sie habe eine schlanke Frisur gehabt. Im Gesicht habe diese Frau alt ausgesehen, viele Falten gehabt. Wenn er sich heute die Bilder von Frau Klette anschaue und gefragt würde, ob sie die von ihm beobachtete Frau war, würde er mit Bestimmtheit nein sagen. Damals habe sich das aber für ihn anders dargestellt.
Er habe nach der Tat im Internet Recherchen angestellt. Da habe er die Fahndungsbilder gesehen, die man überall gesehen habe.
Auf Vorhalt FA Cremlingen Bd. 2, Bl. 11 erinnerte sich der Zeuge daran, dass bereits am Abend des Tattages im Internet die Vermutung zu lesen war, dass es sich bei den Tätern um das „RAF-Trio“ handeln könnte. Das sei ja überall zu hören gewesen. Das habe auch in der „BILD“ und bei „ntv“ gestanden, „einfach überall“. Dann habe es bei ihm „zu rattern angefangen“ und er habe sich an die Frau erinnert und dann nach den Fotos der gesuchten Personen gegoogelt.
Bei der Polizei seien ihm Fahndungsfotos vorgelegt worden. Die Polizei sei ja nach der Tat „24/7“ bei ihnen im Geschäft präsent gewesen und hätten ihn und seine Kollegen befragt. Die Polizei sei mehrere Tage dagewesen, den ersten Tag, danach auch wieder, als er bei der Polizei gewesen ist. „Und dann waren die ständig da und haben viel gefragt und irgendwann dann nicht mehr.“ Das seien eher oberflächliche Gespräche gewesen, die Details seien auf der Dienststelle abgefragt worden.
Die Polizei habe die Fahndungsbilder auch sofort nach der Tat in dem Markt aufgehängt. Die Polizei habe ihm die Fotos gezeigt und diese dann sofort in den Laden geklebt. Natürlich habe er sich danach auch mit seinen Kollegen unterhalten, auch mit Kollegen vom dänischen Bettenlager. Der Herr Seeger habe von der Frau mit Rock und Panzerfaust berichtet. Betroffenentreffen habe es nicht gegeben, aber man habe sich nicht nur zufällig darüber unterhalten, es sei aktiv in jeder Pause als erstes Thema darüber geredet worden. Das Thema sei überall präsent gewesen.
j) Zeuge H.-J.H.
Der 75-jährige Zeuge Herr H.-J.H. ist am Tattag zusammen mit seiner Lebensgefährtin Frau V.H. im PKW in Cremlingen unterwegs gewesen und hat Angaben zu einem verdächtigen Fahrzeug gemacht. Herr H.-J.H. wurde ebenfalls am 02.07.2016 vernommen. Aus einem Feldweg sei mit hoher Geschwindigkeit rückwärts ein PKW gekommen. Er sei „mit 40 Sachen“ daran vorbeigefahren. Er habe in diesem Fahrzeug 3 Personen sehen können: einen Fahrer, daneben eine Frau mit graumelierten Haaren, hinten ein Mann, der sein Gesicht mit einem Tuch verdeckt hatte. Er habe später bei dem Einkaufszentrum einem Beamten seine Beobachtungen geschildert und sei dann Wochen später noch auf der Polizeiwache in Cremlingen vernommen worden.
Das Alter der Frau in dem beobachteten Fahrzeug habe er im rechten Seitenprofil gesehen. Er schätzte der Zeuge auf „mittelalt“. Es seien keine jungen Leute mehr gewesen. Auf Vorhalt bestätigte der Zeuge die Angabe in dem Protokoll seiner polizeilichen Vernehmung vom 07.07.2016, FA Cremlingen Bd. 3, Bl. 38, wonach die Frau „so um die 50-60 Jahre alt“ gewesen sei. Der Mann auf der Rückbank habe eine relativ große Nase gehabt, das habe er oberhalb des Tuches gesehen.
Auf Vorhalt der Passage aus seiner Vernehmung
„Zu den Haaren des Mannes, welcher auf dem Rücksitz saß, kann ich angeben, dass diese schwarz waren. Sie waren kurz und er trug einen Scheitel. Dieser Mann drehte sich mit dem Gesicht in meine Richtung, als wir an dem PKW vorbeifuhren. Ich meine der Scheitel verlief von rechts oben nach links unten. Das Haar war kurz aber heruntergekämmt“ (FA Cremlingen Bd. 3, Bl. 38) konnte der Zeuge dies nicht bestätigen.
In Cremlingen hätten ja danach viele Fahndungsbilder gehangen, man habe die ja immer gesehen. Früher seien die Haare der Frau ja schwarz gewesen. In der Zeitung seien die Personen auch abgebildet gewesen. Bei der Polizei seien ihm auch Fahndungsfotos gezeigt worden.
Auf Vorhalt aus der Zeugenvernehmung, wonach er in der „Bild“-Zeitung im Urlaub die Fotos der drei Tatverdächtigen zu dem o.a. Raubüberfall gesehen habe, konnte sich Herr H.-J.H. hieran nicht erinnern. Er lese aber im Urlaub immer die „Bild“. Und jedenfalls habe er in der „Bild“-Zeitung vor seiner polizeilichen Vernehmung etwas gelesen.
Dem Zeugen wurde auch folgende Passage aus seiner Vernehmung Bd. 3, Bl. 38 vorgehalten:
„In der Bildzeitung habe ich im Urlaub die Fotos der drei Tatverdächtigen zu dem o.a. Raubüberfall gesehen. Einer dieser Tatverdächtigen hatte dabei auch eine große Nase, welche der Nase dieser Person ähnlich war, bzw. ähnlich ausgeprägt war“.
Hieran hatte der Zeuge keine Erinnerung mehr. Insgesamt konnte sich der Zeuge nicht mehr daran erinnern, dass ihm bei der Polizei Fahndungsplakate gezeigt wurden, auch dann nicht, als ihm das Plakat FA Cremlingen Bd. 3, Bl. 40, gezeigt wurde. Es hätten ja aber an der Tür bei der Polizei die Fahndungsbilder gehangen. Wenn er dieses Plakat heute sehe, so könne die Person links mit der Kappe dem Auto zuordnen. Er könne sich aber nicht daran erinnern, dass dieser eine Brille aufhatte. s könne sich bei dieser Person um den G. handeln.
Er sei mit Frau V.H. nach den Beobachtungen vor dem Ort des Raubüberfalls gewesen. Es sei dann die Polizei aus Goslar gekommen und er habe einem Beamten alles geschildert. Das sei notiert und dann weitergegeben worden.
Dem Zeugen wurde sodann ein Vermerk des PK M. über ein Telefonat mit dem Zeugen H.-J.H. am 25.06.2016 gegen 21:45 Uhr vorgehalten, in dem es heißt:
„Meine Lebensgefährtin sah auf dem Fahrersitz eine männliche, auf dem Beifahrersitz eine weibliche und auf der Rücksitzbank eine männliche Person im Fahrzeug.“ (FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 102)
Der Zeuge H.-J.H. konnte sich an ein derartiges Telefonat nicht erinnern und nicht erklären, warum nach dieser Formulierung die Wahrnehmung der 3 Personen in dem verdächtigen Fahrzeug allein von seiner Lebensgefährtin erfolgt ist. Er habe das auch gesehen. Auch dass er dabei gesagt haben soll, dass es sich bei dem Fahrzeug vermutlich um einen Passat gehandelt hat, konnte der Zeuge nicht erinnern.
Dem Zeugen H.-J.H. wurde vorgehalten, dass sich in dem Vermerk des PK R. vom 26.06.2016 über den „Ersten Angriff“ (FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 107 ff) zwar Beschreibungen seiner Lebensgefährtin zu den 3 Fahrzeuginsassen finden würden, sich aber hier keine Beschreibungen dieser Personen durch ihn, den Zeugen H.-J.H., befänden. Ob es vielleicht möglich sei, dass nur die Frau V.H. diese Personen wahrnehmen konnte?
Hierauf antwortete der Zeuge:
„Kann sein, ja. Ich bin ja der Fahrer, ich muss auch auf den Verkehr achten, die Beifahrerin hat ja ganz andere Möglichkeiten, sich zu konzentrieren.“
Das Fahrzeug habe er aber sicher gesehen.
k) Zeugin Dr. C.R.
Die Zeugin Frau Dr. R. war am Tag des Raubüberfalls gemeinsam mit ihrer Tochter am Ort des Geschehens zum Einkaufen. Sie wurde am 02.07.2025 in hiesiger Hauptverhandlung vernommen. Es habe einen Tumult gegeben und sie habe dann einen Mann mit einem Geldkoffer gesehen, neben dem eine weitere Person mit einem Dreieckstuch vor dem Gesicht stand. Der Mann mit dem Geldkoffer sei mit einer Waffe bedroht worden. Dieser Täter habe ein kariertes Hemd getragen. Dann habe es einen Schuss in die Decke gegeben und sie habe gesehen, dass der Geldtransporter von zwei Autos eingekeilt war. Viel habe sie dann nicht mehr beobachten können.
Der von Frau Dr. R. beobachtete Täter sei größer als sie (die Zeugin gibt ihre eigene Größe mit 1,65m an) gewesen, schlank und geschätzt Anfang 50 gewesen. Auf Vorhalt ihrer polizeilichen Aussage vom 07.07.2016 (FA Cremlingen Bd. 2, Bl. 174) bestätigte die Zeugin, dass die Person ca. 1,80 groß und von schmaler Statur gewesen sei. Sie habe „vorgealtert“ gewirkt. Wegen des Dreiecktuchs vor dem Gesicht habe man die Zähne des Mannes nicht sehen können. Sie habe keine Erinnerung daran, ob der Mann ungepflegt ausgesehen habe oder ob dieser eine Mütze oder eine Perücke getragen habe. Es habe ausgesehen „wie ein Kostüm“.
Auf Vorhalt aus ihrer polizeilichen Vernehmung, wonach der Mann ihrer Meinung nach einen aufgeklebten dunklen Oberlippenbart getragen habe (a.a.O. Bl. 173), gab die Zeugin an, dass dies hinkommen könne. Sie wisse es nicht mehr. Die Person habe aber verkleidet ausgesehen.
Auf weiteren Vorhalt ihrer früheren Aussage, wonach der Täter eine „schwarze Kurzhaarperücke“ getragen habe (a.a.O., Bl. 173) erwiderte sie, dass es dies gewesen sei, was ihr unnatürlich vorgekommen sei. Die Perücke habe „so strunzig, nicht geschnitten“ ausgesehen. Vor dem eingekeilten Geldtransporter bei einem Kombi habe jemand mit einer geschulterten Panzerfaust gestanden und hinter dem Transporter noch eine weitere Person, an die sie aber keine Erinnerung mehr habe.
Das es sich um eine Panzerfaust gehandelt hat, habe ihr die Polizei gesagt. Sie habe das nur beschreiben können. Andere Zeugen hätten auch gleich gesagt, dass es eine Panzerfaust war. Diese Person sei schmal gewesen, größer als sie selbst, vielleicht 1,70-1,75, und vielleicht Anfang 40 gewesen. Auf Vorhalt der protokollierten Aussage bei der Polizei, wonach die Zeugin dort die Person mit der Panzerfaust auf Anfang 50 geschätzt haben soll, erwiderte sie: „Ah, ok.“
Zur Kleidung könne sie nur noch sagen, dass die Person eine Arbeitslatzhose getragen habe. Näher könne sie diese nicht beschreiben. Auch diese Person habe ein Dreieckstuch oder ein Cappi getragen.
Auf Vorhalt des Protokolls ihrer Aussage im Rahmen der polizeilichen Vernehmung (a.a.O. Bl. 174)
„Sie hatte eine strohige, blonde schulterlange Perücke auf“, gab die Zeugin an, dass sie jetzt gedacht hätte, dass diese Person ein Cappi getragen habe.
Auf die Frage nach dem Geschlecht dieser Person antwortete Frau Dr. R.:
„Wenn ich das jetzt sage, dann weil ich weiß, dass eine Frau dabei war.“
Ihr seien bei der polizeilichen Vernehmung Fotos von drei Personen gezeigt worden und dabei sei ihr gesagt worden, dass eine Frau dabei war. Man habe sie erst einmal ihre Aussage machen lassen und dann die Fotos gezeigt und ihr gesagt worden, dass es ein Überfall durch ein Trio gewesen ist. Aber natürlich sei sie über die Presse schon vorher informiert gewesen und es habe – weil es in Wolfsburg einen ähnlichen Überfall gegeben habe – der Verdacht bestanden, dass es ein Trio gewesen sein könnte. Aus ihrem heutigen Wissen heraus, wonach bei dem Überfall eine Frau dabei gewesen sein soll, würde sie sagen, dass es die Person war, die am Kombi gestanden hat, weil die anderen beiden männlicher auf sie gewirkt hätten.
„Ich muss dazu sagen, dass ich schon vor meiner Aussage Präsenz in der Presse gehabt habe und ich kann es nicht mehr genau sagen, da würde ich was falsches sagen.“
„Ich hab dann gesagt, ok, wenn es die drei halt gewesen sind, dann wird sie die Frau gewesen sein. Vermutlich hat sie dann mit der Latzhose auch einen Busen gehabt.“
Es sei ihr endlos lange vorgekommen, bis die Polizei vor Ort erschienen ist. Weit länger als üblich, auf jeden Fall länger als 12 Minuten. Bis sie dann verhört worden seien, habe es 4 Stunden gedauert. Sie habe da mit ihrer Tochter warten müssen, bis alle eine Aussage gemacht haben. Als sie da gewartet haben, sei relativ schnell klar gewesen, dass es das Trio war. Da sei schon der Verdacht gewesen. Alle Leute hätten sich unterhalten und da habe schon einer gesagt: „Innerhalb von Niedersachsen ist das ja jetzt schon häufiger vorgekommen, auch in Wolfsburg in nem Supermarkt und wenn das hier nicht auch wieder das Trio war.“
Und durch die lange Zeit vor Ort, die wir gewartet waren, hieß es, dass ein Polizist vor Ort war und die noch verfolgt war und wir standen da Stunden und alle haben halt Vermutungen angestellt. Sie habe sich hauptsächlich mit den Mitarbeitern unterhalten und ausgetauscht. Die hätten auch Sachen erzählt, die sie nicht gesehen habe. Man habe sich halt ausgetauscht, wer was so gesehen hat, bis die Polizei kam, weil man natürlich viel beitragen wollte, also die Mitarbeiter und die Kunden. Sie habe gefragt, was das für eine Waffe war und dann habe ihr das jemand gesagt. Sie habe die Frage in die Runde gestellt, was die Person da auf der Schulter hatte, und dann sei das beantwortet worden.
„Alle standen gemeinsam da und unter Schock haben sich alle erzählt, was sie so gesehen haben.“
Auf die Frage, was in dieser Situation über ein Trio gesagt worden sei, antwortete die Zeugin, dass es welche von der RAF wären, die im Untergrund sind und dass die schon 1-2 Überfälle in Niedersachsen an der A2 gemacht hätten und dass es hier auch an der Strecke liegen würde und dass es hier halt ähnlich wäre.
Die Polizei vor Ort habe sie nicht ausführlich befragt. Die hätten ein Oktavheft dabei gehabt, darin Sachen aufgeschrieben.
Bei der polizeilichen Vernehmung seien ihr Fotografien von 3 Personen vorgelegt worden, die aus einer früheren Zeit gestammt hätten. Die Personen hätten da ganz anders ausgesehen. Auf der Polizeiwache hätten auch Plakate gehangen. Sie wisse heute nicht mehr, in welchem Zusammenhang sie Fotos gesehen habe. Ihr sei eine Mappe mit Bildern vorgelegt worden, die habe sie sich angucken sollen. Das sei definitiv so gewesen. Sie sei sonst noch nie polizeilich vernommen worden.
Auf Vorhalt der protokollierten Aussage: „Die auf den Fahndungsfotos abgebildeten Personen kann ich als Täter nicht wiedererkennen“ (a.a.O. Bl. 175), meinte die Zeugin, dass sie aus ihrer Erinnerung sagen würde, dass sie bei der Polizei Bilder angesehen habe.
Als sie die Ladung zur polizeilichen Vernehmung bekommen hat, habe sie unter den Begriffen „Cremlingen Polizei Fotos Überfall“ gegoogelt, da finde man dann die Fotos.
Der Zeugin Frau Dr. R. ist auch der Vermerk der PK’in H. FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 110 vorgehalten worden. Danach hat die Zeugin Frau H. eine Beschreibung des Täters abgegeben, welcher den Geldboten mit einer Waffe bedroht hat. In diesem Vermerk heißt es im Anschluss an diese Täterbeschreibung:
„Sie (Frau R.) verweist auf die Personenbeschreibung von Frau M.-W.H.“.
Hierauf erwiderte die Zeugin Dr. R.: „Das ist gut möglich, ja, weil der mir am präsentesten war.“
Sie wisse, dass andere schon Personenbeschreibungen gemacht hatten, nämlich die Mitarbeiter vom Dänischen Bettenlager und da würde sie nicht ausschließen, dass sie sich dem angeschlossen habe. Sie wisse auch noch, dass sie mit einer Kundin vom Bettenlager zusammengestanden habe.
Auf Vorhalt des von Frau M.-W.H. beschrieben Merkmals dieser Person: „Etwa 160 cm groß“, meinte die Zeugin, dass dieser Täter nicht kleiner als sie gewesen sei. Ansonsten könne sie sich aber vorstellen, dass sie mit Frau M.-W.H. übereingestimmt habe. Soweit nach dem Vermerk der PK’in H. von der Zeugin M.-W.H. bei diesem Täter auch ein „nicht definierbarer Akzent/Dialekt“ festgestellt worden sein soll, stimmte die Zeugin Dr. R. diesem Merkmal zu. Es sei eher ein Akzent gewesen, wie wenn man Franzose ist und deutsch spricht.
Der Zeugin wurde aus dem Vermerk der PK’in H. auch folgender Passus vorgehalten:
„Zu der Personenbeschreibung von Herrn H. ergänzt sie (die Zeugin Frau Dr. R.), dass die Frau mit einer grünen Latzhose, wie man sie zur Gartenarbeit träge, bekleidet gewesen sei.“ Die Zeugin erwiderte darauf, sie habe das ergänzen können, weil man zusammengestanden habe. Es sei ein „Riesendurcheinander“ gewesen.
Irgendwann habe die Polizei dann gesagt: „Kommen Sie mal rüber.“ Vorher hätten alle durcheinander geredet. Da sei auch noch so gewesen, als die Polizei schon da war. Es seien nicht viele Beamte gewesen. Die hätten sie erst einmal reden lassen.
II. Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus den Aussagen der bisher vernommenen Zeug*innen sowie der ihm darüber hinaus zur Verfügung zu stellenden Unterlagen
Der Sachverständige wird aus den ihm zu übermittelnden Aussagen der bereits in der Hauptverhandlung vernommenen Zeug*innen, den darüber hinaus bereits oben aufgeführten weiteren auszuhändigenden Unterlagen sowie dem Ergebnis der in dem Tatkomplex Cremlingen noch ausstehenden Vernehmungen von weiteren Tatzeug*innen sowie der geladenen Ermittlungsbeamt*innen darlegen, warum vorliegend bei der Bewertung der Zeug*innenaussagen keine Unterscheidung mehr möglich ist, welche Aussagen tatsächlich auf einem eigenen Erleben basieren und welche Aussagen Ergebnis von suggestiblen Einflüssen sind.
Dabei wird der Sachverständige zunächst ausführen, dass die Bedingungen für die Erstellung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens naturgemäß erschwert seien, wenn zuvor keine Explorationsmöglichkeiten bestanden haben und er teilweise die Zeugen in der Hauptverhandlung nicht selbst hören konnte, sondern auf die Rekonstruktion durch die gerichtlichen Mitschriften angewiesen ist. Allerdings sei diese Problematik hier nicht so ausgeprägt, da sich vorliegend die suggestiblen Einflüsse, denen die Zeug*innen unterlegen sind, teilweise bereits aus den Vernehmungsprotokollen, insbesondere aber aus den Vermerken der Polizeibeamt*innen PK’in H. und PK R., die beide im Rahmen ihrer vorgesehenen Befragung in der hiesigen Hauptverhandlung zudem vom Sachverständigen selbst gehört und befragt werden können.
Schließlich gehe es vorliegend ja auch nicht um die Frage, ob ein/e Zeugin lügt oder nicht, sondern um die Problematik von Erinnerungsverfälschungen, also um eine unabsichtliche Verfälschung bestehender eigener Gedächtnisinhalte.
Solche Verfälschungen entstünden sehr leicht in der Zeit zwischen der eigentlichen Wahrnehmung, des darauffolgenden Speicherungsvorgangs der Erinnerung an den erlebten Vorfall sowie des Abrufs dieser Erinnerung im Rahmen von Schilderungen gegenüber Dritten. Diese unbewussten Verfälschungen seien zwischen der eigentlichen Wahrnehmung und dem Abruf der Erinnerung über den gesamten Verlauf des Speicherungsvorgangs von Erinnerungen zu beobachten. Es könnten sich falsche Inhalte in einer angelegten Gedächtnisspur ablegen. Diese würden als selbst erlebt empfunden und als eigenes Erleben wiedergegeben. Dieses Phänomen sei insbesondere bei Gruppenerinnerung (group remembering) und bei suggestiven Effekten aufgrund von außen auf die Erinnerung einwirkende zusätzliche Informationen zu beobachten.
Gruppenerinnerung
Die Forschung zu Gruppenerinnerungen zeige, dass Zeug*innen von dem, was andere Zeug*innen erinnern, beeinflusst werden, unabhängig davon, ob das, was die anderen berichten, zutrifft oder nicht.
Vorliegend, so wird der Sachverständige ausführen, sei die Problematik der Gruppenerinnerung besonders stark ausgeprägt, da es unter den Zeug*innen in verschiedenen Situationen zu Berichten über das Erlebte gekommen ist, die in einer Gruppe wiedergegeben wurde: sowohl vor dem Eintreffen der Polizei als auch später in Anwesenheit der Polizei. Es werde in der Aussagepsychologie von einer „memory conformity“ gesprochen:
Zeug*innenberichte würden sich nach einer stattgefundenen Diskussion untereinander stark angleichen. Diese Gefahr sei besonders groß, wenn sich Zeug*innen vor ihrem ersten Bericht untereinander ausgetauscht haben.
In diesem Falle hätten etwa übereinstimmende Schilderungen von Zeugen keinen aussagepsychologischen Wert hinsichtlich der Glaubhaftigkeit dieser Aussagen. Dieser Effekt der Angleichung von Aussagen sei vorliegend beispielhaft an den Aussagen der Zeug*innen zum Thema Perücken/falsche Bärte zu beobachten. Hier hätten einzelne Zeug*innen erst im Rahmen von späteren Vernehmungen erstmalig von derartigen Verkleidungsmitteln berichtet, die im Rahmen von ersten polizeilichen Befragungen vor Ort noch nicht erwähnt wurden. Es sei, so wird der Sachverständige unter Bezugnahme auf entsprechende Forschungsergebnisse ausführen, durchaus möglich, dass mehrere Personen von einem gleichen Detail berichten, obwohl es dieses Detail tatsächlich überhaupt nicht gegeben hat.
Die Kenntnis von über weitere Zeug*innen erlangte Informationen könne hinsichtlich der eigenen Erinnerung schädlich sein, da sie dazu führen könnten, dass Ereignisse berichtet werden, die ein Zeuge selbst gar nicht beobachtet haben kann.
Beispielhaft wird der Sachverständige in diesem Zusammenhang die Aussage des Zeugen H.-J.H. nennen, der in seinen ersten polizeilichen Befragungen überhaupt keine Beschreibung der Tatverdächtigen abgeben konnte, später dann ab ein teilweise detailliertes Detailwissen behauptete, welches mutmaßlich von Angaben seiner Ehefrau übernommen worden ist, da er selber als Fahrer eines PKW gar nicht die Möglichkeit besessen hat, sich die Personen in dem verdächtigen anderen Fahrzeug genau anzusehen.
Gerade in Situationen, die für Zeug*innen mit Stress und hoher Anspannung verbunden seien, sei das menschliche Hirn besonders anfällig für die Übernahme von Informationen, die aus Berichten anderer Zeug*innen stammen.
Weitere Einflüsse von außen auf das Erinnerungsvermögen und das Aussageverhalten der Zeug*innen
Neben der Problematik der Gruppenerinnerung wird der Sachverständige darlegen, welche Bedeutung nachtäglich erlangte Informationen zur Verfälschung von Gedächtnisinhalten beitragen. In diesem Zusammenhang wird er auf suggestive Verzerrungen von Wahrnehmungen hinweisen, die auf autosuggestiven sowie fremdsuggestiven Einflüssen zurückzuführen seien. Bei den autosuggestiven Beeinflussungen handelt es sich etwa um die Bedeutung von intensiven Beschäftigungen mit der relevanten Thematik etwa durch das lesen von Informationen aus den (sozialen) Medien, dem Anschauen von Filmen oder Plakaten. Fremdsuggestive Prozesse seien gekennzeichnet durch Vorgaben spezifischer Informationen, die bestimmte Schlussfolgerungen nahelegen und dadurch das Imaginieren von möglichen Ereignissen oder Wahrnehmungen fördern.
In diesem Zusammenhang wird der Sachverständige die Angaben der Zeug*innen zu den frühzeitigen Spekulationen hinsichtlich der Täterschaft des sogenannten „RAF-Trios“, die Kenntnis von Fahndungsbildern und Informationen aus den Medien über diese gesuchten Personen, etwa auch aus der Sendung Aktenzeichen xy, sowie die Rolle, die diese Spekulationen bei den polizeilichen Vernehmungen gespielt haben, benennen.
Im Ergebnis wird der Sachverständige von einer ungewöhnlich großen Anzahl von suggestiblen Einflüssen, die auf das Aussageverhalten der Zeug*innen eingewirkt haben, berichten. Dabei werden von dem Sachverständigen insbesondere die folgenden Gesichtspunkte aufgeführt werden, die jedenfalls in ihrer Gesamtschau zu einer Wertlosigkeit hinsichtlich der Frage der Glaubhaftigkeit der Aussagen bei den Personenbeschreibungen und den ldentifizierungsleistungen von Tatverdächtigen führen:
a) Austausch der Zeug*innen untereinander vor Eintreffen der Polizei am Tatort
Die bereits vernommenen Zeug*innen haben übereinstimmend angegeben, dass es eine längere Zeit gedauert habe, bis die Polizei am Tatort eingetroffen ist. Hierbei werden Zeitangaben zwischen 12 und 45 Minuten gemacht.
Innerhalb dieser Zeitspanne, so wird von einer Vielzahl der Zeug*innen berichtet, ist es zu einem Austausch der Zeug*innen zu dem gerade gemeinsam Erlebten gekommen. Die Zahl der dabei zusammenstehenden Person variiert bei den Angaben, teilweise wird von bis zu 15 Personen gesprochen. Es wird berichtet, dass „wild durcheinandergesprochen“ worden sei. Teilweise wird angegeben, dass es dabei auch bereits um die wahrgenommenen äußeren Erscheinungsbilder der Täter gegangen sei und dass dort bereits über die Parallelitäten zu anderen Überfällen in der Region und die Möglichkeit, dass es „das Trio“ gewesen sein könnte, gesprochen.
b) Gemeinsame Befragung der Zeug*innen vor Ort durch die Polizei
Übereinstimmend wird von allen Zeug*innen berichtet, dass zunächst nur sehr wenige Polizeibeamte vor Ort waren und dass die Situation unübersichtlich war. Etliche Zeug*innen berichten darüber, dass es jedenfalls anfangs keine getrennten Befragungen gegeben hat, sondern auch gemeinsame Befragungen. Teilweise gaben die Zeug*innen in diesem Zusammenhang an, dass es da bereits um den konkreten Tatablauf und auch um Täterbeschreibungen gegangen sei, etwa auch um die Frage, ob von den Tätern Perücken und falsche Bärte getragen wurden.
In diesem Zusammenhang wird der Sachverständige auch berücksichtigen, dass sich die Tatsache und auch das Ausmaß der gemeinsamen Zeug*innenbefragungen durch die Polizei auch aus den von ihm ausgewerteten Berichten des PK R. zum „Ersten Angriff“ der Polizei (FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 107ff) sowie der PK’in H. zu „Ersten Befragungen der Zeugen“ vom 26.06.2016 ergebe. Danach sind beispielsweise die Zeuginnen V.H. und H.-J.H. sowie das Ehepaar J. gemeinsam befragt worden und hat sich offensichtlich die Zeugin Frau Dr. R. bei ihrer Befragung vor Ort auf die zuvor erfolgten Aussagen der Zeug*innen Frau M.-W.H. und Herrn H. bezogen.
c) Einfluss der sozialen Medien, der Zeitungs- und Fernsehberichte
Etliche Zeug*innen haben zudem berichtet, dass – teilweise schon am Tattag – Berichte in den (sozialen) Medien zu dem Raubüberfall in Cremlingen erschienen seien. Dabei wurde von den Zeug*innen auch von in diesem Zusammenhang veröffentlichten Bildern von Tatverdächtigen berichtet. Im Internet seien einem die Berichte „wie auf einem Tablett serviert“ worden (Zeugin Frau J.). Es habe Bilder von den Tatverdächtigen auch in jüngeren Jahren gegeben. Die mediale Berichterstattung wird von dem Sachverständigen auch deshalb als für die Bewertung der Zeug*innenaussagen besonders problematischer Umstand gewertet, weil die ersten polizeilichen Vernehmungen teilweise erst ca. 2 Wochen nach dem eigentlichen Tatgeschehen, im Falle des Ehepaares J. sogar erst ca. 2 Jahre nach der Tat erfolgt sind.
d) Frühzeitige Fokussierung auf das „RAF-Trio“/Vorlage der Fahndungsplakate
Der Sachverständige wird weiter darlegen, dass das Aussageverhalten der Zeug*innen – insbesondere deren Beschreibung der Täter – auch maßgeblich davon bestimmt gewesen sein wird, dass nach den Aussagen einiger Zeug*innen bereits bei den Gesprächen am Tatort und dann auch im Rahmen der polizeilichen Vernehmungen die Vermutung geäußert wurde, dass es sich bei den Tätern um die gesuchten früheren RAF-Mitglieder gehandelt hat und dass in diesem Zusammenhang auch die Fahndungsplakate, die vielen Zeug*innen bereits vorher bekannt waren und die jedenfalls teilweise auch bei den Vernehmungen vorgehalten worden sein sollen, eine wichtige Rolle gespielt haben.
Der Sachverständige wird hier ausführen, dass sich insbesondere aus der besonders differenzierten und problembewussten Aussage der Zeugin Frau Dr. R. das Ausmaß der Beeinflussung des Aussageverhaltens aufgrund der frühzeitigen Thematisierung des „RAF-Trios“ ergäbe. Dieser Einfluss gehe dabei soweit, dass auch die Behauptung der Tatbeteiligung einer Frau von dieser Hypothese bestimmt sei.
Im Zusammenhang mit der frühzeitigen Fokussierung auf das RAF-Trio wird der Sachverständige auch eine Bewertung des Vermerks des PHK S. vom 25.06.2025 (FA Cremlingen Bd. 2, Bl. 92 ff) vornehmen in der es u.a. heißt:
„Um 16.09 Uhr meldet die am Tatort als Führungsfahrzeug eingesetzte Fustw-Besatzung, dass es sich bei den Tätern um die gesuchten RAF Terroristen handele. Sie sind u.a. mit einem Sturmgewehr Kalschnikow bewaffnet gewesen.“
Der Sachverständige wird unter Bezugnahme auf diesen Vermerk erläutern, dass der Inhalt dieses Vermerks die teilweisen Angaben der Tatzeug*innen bestätige, wonach bereits kurze Zeit nach der Tat und zu einem Zeitpunkt, als sich die Tatzeug*innen noch am Ort des Geschehens befanden, die Rede von dem „RAF-Trio“ als die vermeintlichen Täter des Raubüberfalles gewesen ist und dass hiermit eine erhebliche suggestible Wirkung auf die folgenden Aussagen dieser Zeug*innen zu vermuten sei.
Der Sachverständige wird abschließend zu dem Ergebnis kommen, dass aufgrund der dargestellten suggestiblen Einflüsse keine der hier aufgeführten Zeug*innenaussagen im Hinblick auf vorgenommene Identifizierungen und Beschreibungen der beobachteten Täter tragfähig seien.
Ergänzend wird der Sachverständige noch ausführen, dass sich diese fehlende Belastbarkeit der Aussagen auch auf die Angaben der Zeug*innen zu von den Tätern verwendeten Fahrzeugen und Waffen beziehe, da auch insoweit im Rahmen der bekannt gewordenen öffentlichen Fahndungsmaßnahmen eine Vielzahl von Detailinformationen auf das Aussageverhalten eingewirkt habe und auch diesbezüglich von einem Informationsaustausch stattgefunden hat, der zu einer Gruppenerinnerung geführt hat.
Der Sachverständige wird in seinem Resümee festhalten, dass die Komplexität und die Intensität der festgestellten suggestiblen Einflüsse auf die Aussagen der Tatzeug*innen so tiefgreifend ist, dass noch nicht einmal die Übereinstimmung in den Aussagen, dass sich in der Tätergruppe eine Frau befunden hat, belastbar ist. Der Einfluss der Berichterstattung über das sog. „RAF-Trio“ und der von Anfang an auf den Aussageinhalt der Zeug*innen einwirkenden frühzeitigen Mutmaßungen hinsichtlich der Täterschaft dieser Gruppe, sei als so dominant einzustufen, dass es aus aussagepsychologischer Sicht naheliegend ist, dass sämtliche Tatzeug*innen bei Abruf ihrer Erinnerungen im Rahmen polizeilicher Befragungen davon ausgegangen sind, dass die Beteiligung einer Frau an der Tat ohnehin feststeht und die Erinnerung von dieser Grundannahme zentral beeinflusst worden ist.
Dabei wird der Sachverständige auch auf die einzelnen Beschreibungen der vermeintlich tatbeteiligten Frau durch die Tatzeug*innen eingehen und darlegen, dass diese hinsichtlich sämtlicher genannter Merkmale vollständig unterschiedlich ausgefallen seien. Diese Tatsache sei ein deutlicher Hinweis darauf, dass der suggestive Einfluss der von den Zeug*innen – aufgrund von außerhalb ihrer Wahrnehmung empfangenen Informationen – angenommenen Tatbeteiligung einer Frau übermächtig gewesen ist.
Konkret ergäbe sich aus den einzelnen Aussagen folgendes:
Hinsichtlich des Alters der Person schwankten die Angaben zwischen ca. 40/Anfang 40 bis 60 Jahre.
Hinsichtlich der Größe der Person bestanden Differenzen zwischen 1,60 und 1,80m.
Hinsichtlich der Haarfarbe schwankten die Angaben zwischen nicht erkennbar aufgrund einer Maskierung, über blond, silber-blond, blond-braun bis dunkel/schwarz.
Hinsichtlich der Statur gingen die Aussagen von hager/sehr schmächtig über „normal“ bis zu „stabil, aber nicht fett“.
Hinsichtlich der Maskierung reichte die Spannbreite der Aussagen von nicht-maskiert über Halstuch bis zur Nase bis hin zur Sturmmaske.
Hinsichtlich der Kleidung gab es Angaben, die von einem blauen Kleid mit Blümchenmuster, über blaue Hose, dunkle Kleidung bis zur grünen Latzhose reichten.
III. Fehlen der eigenen Sachkunde des Gerichts
Das Gericht besitzt hinsichtlich der Beweistatsachen auch nicht eine ausreichende eigene Sachkunde, auch wenn die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeug*innenaussagen grundsätzlich zu den originären Aufgaben des Tatgerichts gehört.
Die Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens ist nämlich dann geboten, wenn der Sachverhalt oder die Person des/der Zeug*in solche Besonderheiten aufweist, dass Zweifel daran aufkommen können, ob die Sachkunde des Gerichts auch zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit unter den gegebenen Umständen ausreicht (st. Rspr.; BGHR, StPO, §244 Abs. 4 S. 1, Glaubwürdigkeitsgutachten 2; BGH, StV 1994, 173; BGH 1 StR, 579/05).
Die Besonderheit ist vorliegend nicht in den einzelnen Personen zu sehen, die als Zeug*innen ausgesagt haben bzw. noch aussagen werden, sondern in dem Ineinandergreifen der oben dargestellten Vielzahl von auf suggestiven Einflüssen, die als Ganzes von äußerster Komplexität sind und deren Bewertung ein profundes Sonderwissen aussagepsychologischer Kenntnisse erfordert.
Diese Komplexität und der hohe Schwierigkeitsgrad bei der Bewertung der Aussagen der Zeug*innen wird besonders deutlich im Zusammenhang mit den Angaben zur Beteiligung einer Frau an dem Raubüberfall erkennbar. Hier dürfte für ein Gericht, welches üblicherweise über keine profunde aussagepsychologische Ausbildung verfügt, der Schluss naheliegend sein, von der Tatbeteiligung einer Frau auszugehen, weil schließlich sämtliche bislang vernommenen Tatzeug*innen entsprechendes bekundet haben. Ein geschulter Aussagepsychologe wird dagegen aufgrund seiner besonderen Sachkunde in der Lage sein, dass Ausmaß der Bedeutung von den die Zeug*innenaussagen beherrschenden suggestiblen Einflüssen auch im Hinblick auf diese Frage der Tatbeteiligung einer Frau zu erkennen.
IV. Ergänzende Anträge
Im Hinblick auf die dargelegte Problematik hinsichtlich der Bewertung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der aufgeführten Tatzeug*innen und um dem Sachverständigen insoweit ein möglichst umfassendes Bild von dem Zustandekommen dieser Aussagen, der Aussagegenese und der Aussagekonstanz einzelner Aussagen zu vermitteln, wird weiter beantragt, den Polizeihauptkommissar S., zu laden über das Polizeikommissariat Wolfenbüttel, Lindener Str. 22, 38300 Wolfenbüttel, als Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass bereits etwa eine halbe Stunde nach dem Raubüberfall vom 25. Juni 2016 in Cremlingen von der Besatzung des am Tatort anwesenden polizeilichen Führungsfahrzeugs gemeldet worden ist, dass es sich bei den Tätern um die gesuchten „RAF-Terroristen“ handelt, zu laden und zu hören.
Der Zeuge PHK S. wird bekunden, dass er am 25.06.2016 den sich in der FA Cremlingen Bd. 02, Bl. 92 ff befindenden Bericht gefertigt hat. In diesem Zusammenhang wird der Zeuge S. die Angabe in seinem Vermerk bestätigen, dass er an diesem Tag bereits um 16:09 Uhr, und damit 31 Minuten nach dem ersten Eingang einer Information über den Raubüberfall am Dänischen Bettenlager bei dem Polizeikommissariat Wolfenbüttel, von sich vor Ort befindlichen Kollegen die Nachricht erhalten habe, wonach es sich bei den Tätern um die gesuchten vermeintlichen ehemaligen RAF-Mitglieder handelt.
Der Zeuge S. wird weiter bekunden. dass ihm seitens seiner Kollegen berichtet wurde, dass diese Angaben aus einer Gruppe von Zeug*innen erfolgt ist, welche von den zuerst am Tatort eingetroffenen Beamten gemeinsam befragt worden sind.
Die Erheblichkeit der beantragten Beweiserhebung ergibt sich daraus, dass mit der frühzeitigen Nennung eines Tatverdachts in Richtung der gesuchten und in der Öffentlichkeit häufig als „RAF-Trio“ bezeichneten Personen eine erhebliche suggestive Wirkung auf das Aussageverhalten der zu diesem Zeitpunkt noch nicht einzeln vernommenen Tatzeug*innen und damit die Glaubhaftigkeit und Belastbarkeit sowohl der noch am Tatort als auch der später erfolgten Zeug*innenaussagen verbunden ist.
Im Rahmen der Ladung sollte dem PHK S. auch aufgegeben worden, sich zuvor kundig zu machen, um welche Polizeibeamte es sich bei der Besatzung des polizeilichen Führungsfahrzeugs gehandelt hat.
Weiter wird beantragt, den Kriminalhauptkommissar Herrn F., zu laden über die Polizeiinspektion Salzgitter, Joachim-Campe-Str. 21, 38226 Salzgitter, als Zeugen zu laden und zu hören.
Der Zeuge F. wird bekunden, dass er den Zeugen M.S. am späten Abend des 25.06.2025 vernommen hat.
Die beantragte Beweiserhebung dient dem Beweis der Tatsache, dass der Zeuge S. im Rahmen dieser Vernehmung keine Angaben zu dem Alter der von ihm als weibliche Täterin bezeichneten Person gemacht hat.
Der Zeuge F. wird angeben, dass der Zeuge S. im Rahmen der Vernehmung auch Beschreibungen der von ihm wahrgenommenen drei Täter abgegeben hat. Dabei habe dieser bei dem Täter, der ihn mit einer Pistole bedroht habe, eine Angabe zum geschätzten Alter abgegeben. Bei dem Täter mit der Kalaschnikow habe der M.S. keine Altersschätzung abgeben können und bei der weiblichen Täterin habe der Zeuge S. keine Angaben zum Alter abgegeben.
Im Rahmen seiner Befragung in hiesiger Hauptverhandlung hatte der Zeuge S. noch angegeben, dass er diese Täterin auf 50 oder über 50 Jahre schätzen würde, „vielleicht 55-57 Jahre alt“. Auf Vorhalt, dass sich in seiner ersten Zeugenvernehmung am Abend des 25.06.2026 keine Angaben zum Alter der weiblichen Täterin finden würden, konnte sich der Zeuge S. dies nicht erklären und äußerte die Vermutung, dass dies „untergegangen“ sein könne.
Der Zeuge F. wird in diesem Zusammenhang angeben, dass es ihm bei der ersten Vernehmung des Zeugen S. noch am Abend der Tat sehr zentral auf dessen Angaben zur Beschreibung der Täter angekommen sei. In diesem Zusammenhang habe er den Zeugen S. auch nach dessen Einschätzung zum Alter der Täter befragt. Er könne ausschließen, dass es von ihm versäumt worden sein könnte, eine von dem Zeugen S. genannte Altersangabe bei der von diesem bezeichneten weiblichen Täterin in das Vernehmungsprotokoll aufzunehmen.
Die beantragte Beweiserhebung ist insofern erheblich, als dass sich aus der Aussage des Zeugen F. ein deutlicher Hinweis darauf ergeben wird, dass die von dem Zeugen S. zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommene Altersschätzung darauf zurückzuführen ist, dass dieser suggestiven Einflüssen aufgrund von späteren Informationen zu einer vermuteten Täterschaft des „RAF-Trios“ erlegen ist.
Weiter wird beantragt, die Zeugen POK S. und POK K., beide ebenfalls zu laden über die Polizeiinspektion Salzgitter, als Zeugen zu laden und zu hören.
Die Zeugen werden bekunden, am Abend des 25.06.2016 den Zeugen D.J. vernommen zu haben.
Die beantragten Beweiserhebungen dienen dem Beweis der Tatsachen, dass der Zeuge J. im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmungen Beschreibungen von Tatbeteiligten abgegeben hat, welche teilweise seinen Angaben in hiesiger Hauptverhandlung widersprechen.
Die genannten Zeugen werden in diesem Zusammenhang angeben, dass der Herr J. einen Täter beschrieben habe, welcher den Geldabholer mit einer Waffe bedroht habe. In diesem Zusammenhang habe der Zeuge J. angegeben, dass dieser Täter einen Oberlippenbart getragen habe. Die Polizeibeamten S. und K. werden auf Nachfrage angeben, dass der von ihnen vernommene Zeuge dabei nicht bekundet hat, dass er gesehen habe, dass es sich nur um einen angeklebten Bart handelte.
Weiter werden die Zeugen bekunden, dass der J. auch von einem weitem Täter berichtet habe, welcher eine Panzerfaust getragen habe. Zu diesem Täter habe der Zeuge allein bekunden können, dass es sich von der Statur her um eine weibliche Täterin gehandelt haben könnte. Auch auf Nachfrage hätte der Zeuge J. keine weiteren äußeren Merkmale dieses Täters benennen können. Sie, die Zeugen S. und K., hätten ausdrücklich nach Details des äußeren Erscheinungsbildes dieses Täters gefragt.
Dagegen hatte der Zeuge J. in hiesiger Hauptverhandlung angegeben, dass er sofort erkannt habe, dass der Täter, der den Geldboten bedrohte, einen angeklebten Bart getragen habe, und dass es sich bei der Person mit der Panzerfaust um eine Frau gehandelt habe, die eine blonde Perücke getragen habe. Er würde seine Hände dafür ins Feuer legen. Soweit er nach dem Wortlaut des Protokolls seiner Vernehmung nur die Vermutung und nicht eine Gewissheit, dass es sich bei dieser Person um eine Frau handelte, geäußert haben soll, erwiderte der Zeuge J., dass dann sein Wortlaut durch den Vernehmungsbeamten falsch wiedergegeben worden sein muss.
Die Zeugen S. und K. dagegen werden bekunden, dass der Zeuge J. bei seiner polizeilichen Vernehmung zu keinem Zeitpunkt von einem nur angeklebten Bart oder einer Perücke bei den Tätern berichtet habe und dass auch der Wortlaut des Zeugen zu dem möglichen Geschlecht des einen Täters zutreffend aufgeschrieben worden sei.
Auch diese beantragte Beweiserhebung ist somit zum Nachweis dafür, dass der Zeuge J. hinsichtlich der Täterbeschreibungen kein konstantes Aussageverhalten gezeigt hat und es somit Hinweise auf spätere suggestive Einflüsse, die sein Aussageverhalten bestimmt haben, gibt.
Weiter wird beantragt, den Polizeihauptkommissar B., zu laden ebenfalls über die Polizeiinspektion Salzgitter, als Zeugen zu laden und zu hören.
Der Zeuge B. wird angeben, in den Abendstunden des 25.06.2016 den Zeugen M.S. vernommen zu haben.
Die beantragte Beweiserhebung dient auch in diesem Fall dem Beweis der Tatsache, dass der Zeuge M.S. im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmungen Beschreibungen von Tatbeteiligten abgegeben hat, welche teilweise seinen Angaben in hiesiger Hauptverhandlung widersprechen. Der Zeuge B. wird bekunden, dass der M.S. im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung hinsichtlich eines Täters, der den Mitarbeiter des Geldtransportunternehmens mit einer Schusswaffe bedrohte, folgende Personenbeschreibung abgegeben habe:
„Der ungepflegte Mann war etwa 50-60 Jahre alt, graue Haare, normaler Haarschnitt, ich glaube ein grau-blaues Tuch im Gesicht, etwa 1,80 Meter groß, normale Gestalt, keine Brille, Bekleidung weiß ich nicht“.
Auf Vorhalt der Aussage des Zeugen M.S. in hiesiger Hauptverhandlung, wonach dieser Täter eine graubraune Perücke auf dem Kopf gehabt habe, die später verrutscht oder heruntergefallen sei, getragen habe und außerdem auch eine Bart getragen habe, der heruntergerutscht und von dem Täter dann wieder angeklebt werden musste, wird der Zeuge B. angeben, dass derartige Beschreibungen einer Perücke und eines falschen Bartes von dem Zeugen M.S. am 25.06.2016 nicht geschildert worden seien. Es sei von ihm in der Vernehmung sehr viel Wert auf die Beschreibung der Tatverdächtigen gelegt worden. Wenn der Zeuge M.S. so eine Beschreibung abgegeben hätte, so hätte er dies mit Sicherheit auch in das Vernehmungsprotokoll so aufgenommen.
Auch insoweit dient die beantragte Beweiserhebung dem Nachweis der fehlenden Aussagekonstanz bei dem Zeugen M.S. und dem Beleg von Anhaltspunkten für eine suggestiv bedingte Verzerrung der Erinnerungen des Zeugen.
Weiter wird beantragt, den Polizeikommissar M., ebenfalls zu laden über die Polizeiinspektion Salzgitter, als Zeugen zu laden und zu hören.
Der Zeuge M. wird bekunden, am 25.06.2016 gegen 21:45 Uhr mit dem Zeugen H.-J.H. telefoniert zu haben. Dabei habe der Zeuge H.-J.H. u.a. folgende Aussage getätigt: „Meine Lebensgefährtin sah auf dem Fahrersitz eine männliche, auf dem Beifahrersitz eine weibliche und auf der Rücksitzbank eine männliche Person im Fahrzeug.“
Der Zeuge wird weiter bekunden, dass aus den Angaben des Zeugen H.-J.H. im Rahmen des genannten Telefonats eindeutig zu erkennen war, dass dieser hinsichtlich der Angaben zu den Personen in dem verdächtigen Fahrzeug allein auf die Wahrnehmungen seiner Lebensgefährtin Frau V.H. verweisen konnte und selber zu diesen Personen keine Angaben machen konnte. Allein bei der Aussage, dass die männliche Person auf dem Rücksitz eine Gesichtsmaske getragen habe, sei offengeblieben, ob es sich hierbei um eine eigene Wahrnehmung des Zeugen H.-J.H. handelte, oder ob auch diese Angabe nur auf einen Bericht der Frau V.H. zurückzuführen gewesen sei.
Die beantragte Beweiserhebung ist insofern erheblich, da hiermit die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen H.-J.H. in hiesiger Hauptverhandlung in Zweifel zu ziehen sind, in denen der Zeuge behauptet hat, er erinnere sich teilweise an das äußere Erscheinungsbild bei zwei der sich im verdächtigen Fahrzeug befindlichen Personen. Hier hatte der Zeuge H.-J.H. etwa angegeben, er könne eine Schätzung des Alters der Frau abgeben sowie konkrete Angaben zur Nase und zur Frisur der männlichen Person auf der Rückbank machen.
Aus der beantragten Beweiserhebung werden sich demgegenüber Hinweise darauf ergeben, dass diese Bekundungen des Zeugen H.-J.H. nicht einer eigenen Wahrnehmung entsprungen sind, sondern vielmehr auf von Dritter Seite enthaltenen bzw. aus Medien entnommenen Informationen zurückzuführen sind. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil sich auch in dem Vermerk des PK R. über den „Ersten Angriff“ (FA Cremlingen Bd. 1, Bl. 107ff) allein Täterbeschreibungen der Frau V.H., nicht jedoch welche des Zeugen H.-J.H. finden.
Schlussendlich werden folgende in der Anlage als Ausdrucke beigefügten Zeitungsartikel
1. Weserreport.de vom 18.05.2016: „Staatsanwaltschaft sucht nach RAF-Terroristen“
– abrufbar unter https://weserreport.de/2016/05/polizei/staatsanwaltschaft-sucht-nach-raf-terroristen/ ; zuletzt aufgerufen am 07.07.2025 –
2. Regionalheute.de vom 19.05.2016: „Neues Bildmaterial zu RAF-Terroristen“
– abrufbar unter https://regionalheute.de/wolfsburg/neues-bildmaterial-zu-raf-terroristen/ ; zuletzt aufgerufen am 07.07.2015
3. Faz.net vom 07.06.2016: „RAF-Trio soll mindestens acht Oberfälle verübt haben“
– abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/politik/ex-raf-terroristen-haben-mindestens-acht-ueberfaelle-veruebt-14273888.html ; zuletzt aufgerufen am 07.07.2025 –
4. BILD.de vom 25.06.2016: „Ermittler sicher – RAF-Trio überfällt Geldtransporter“
– abrufbar unter https://www.bild.de/news/inland/raubueberfall/raf-ueberfaellt-offenbar-geldtransporter-46492756.bild.html ; zuletzt aufgerufen am 07.07.2025. –
5. Regionalheute.de vom 25.06.2016: „RAF-Trio? – Oberfall mit Panzerfaust auf Geldtransporter“
– abrufbar unter https://regionalheute.de/brutaler-ueberfall-auf-geldtransporter/ ; zuletzt aufgerufen am 07.07.2025 –
überreicht und beantragt, diese Ausdrucke als Urkunden zu verlesen und in Augenschein zu nehmen, zum Beweis der Tatsachen dass bereits vor der Tat in Cremlingen, etwa Ende Mai 2016 / Anfang Juni 2016 das LKA Niedersachsen öffentlichkeits- und medienwirksam auch mit Bildern nach dem sogenannten „RAF-Trio“ in Niedersachsen wegen des Verdachts der Beteiligung an Oberfällen auf Geldtransporter fahndete und dass schon am Tattag gegenüber der Öffentlichkeit von drei RAF-Personen als Täter des Oberfalls in Cremlingen die Rede war.
Außerdem wird zum Beweis derselben Tatsachen beantragt, das Video vom 26.06.2016 – „Geldtransporter überfallen – war es das Ex-RAF-Trio?“ von WELT.de,
– online abrufbar unter https://www.welt.de/vermischtes/video156591214/Geldtransporter-ueberfallen-war-es-das-Ex-RAF-Trio.html ; zuletzt aufgerufen am 07.07.2025 –
in Augenschein zu nehmen.
Weiter wird beantragt, diese Artikel und das Video dem zu bestellenden Gutachter für Aussagepsychologie zur Verfügung zu stellen.
Begründung
Die bisherige Beweisaufnahme hat durch Angaben von Zeug*innen ergeben, dass schon vor der Tat in Cremlingen Fahndungsplakate im Zusammenhang mit Raubüberfällen mit Bildern des gesuchten „RAF-Trios“ in der Umgebung des Tatortes aushingen. Eine entsprechende Anfrage des Gericht beim LKA Niedersachsen ist gestellt, aber noch nicht beantwortet.
Die unter Nummer 1-3 genannten Zeitungsartikel belegen nun, dass es bereits im Mai und Juni 2016 zu teils reißerischen Pressemitteilungen zu diesem Thema gekommen war. So wurde beispielsweise im Weserreport vom 18. Mai 2016 unter der Überschrift „Staatsanwaltschaft sucht RAF-Terroristen“, nicht nur Bilder von zwei Männern und einer Frau mit langen dunklen Haaren veröffentlicht, die die gesuchten abbilden sollten, es wurde auch über eine Belobigung in Höhe von 20.000 € für entscheidende Hinweise informiert. Am 7. Juni 2016 schreibt die FAZ unter Verwendung der gleichen Fotos: „Die drei mutmaßlichen RAF-Terroristen V.S., B.G. und Daniela Klette sollen zwischen 2011 und 2016 mindestens acht Raubüberfälle verübt haben.“
Zudem sind in dem Artikel im „Weserreport“ vom 18. Mai 2016 bereits detaillierte Personenbeschreibungen von der Angeklagten sowie den beiden gesondert Verfolgten enthalten. Neben Angaben zu Größe und Alter der gesuchten Personen finden sich hier auch spezielle Details wie etwa das Merkmal „ungepflegte Zähne“ bei dem Beschuldigten S.
Die beantragte Beweiserhebung wird weiter ergeben, dass seit dem Tattag gegenüber der Öffentlichkeit von drei RAF-Personen als möglichen Tätern des Überfalls in Cremlingen die Rede war.
Der auf BILD.de veröffentlichte Artikel vom 25.06.2016 mit der Überschrift: „Ermittler sicher – RAF-Trio überfällt Geldtransporter“ erschien bereits am frühen Abend des Tattags und wurde gegen 21.00 Uhr nochmals aktualisiert, zu diesem Zeitpunkt hatten bereits weitere Medien unter Bezugnahme auf BILD.de eine Verknüpfung des Überfallgeschehens zu der RAF hergestellt.
Die beantragte Inaugenscheinnahme wird ergeben, dass es sich bei Bildern und Fahndungsfotos des sogenannten „RAF-Trios“ zum Zeitpunkt der Tat und in den Wochen zuvor um eine in den Medien weit verbreitete Information handelte, die geeignet war die Wahrnehmungen und insbesondere späteren Aussagen der Zeug*innen zu beeinflussen.
Insbesondere das in Augenschein genommene Video zeigt, dass die Ermittlungsbehörde selbst bereits öffentlich einen RAF-Bezug andeutete, bevor sämtliche Zeug*innen ausführlich vernommen werden konnten.
Auch diese Umstände wird der zu beauftragende Sachverständige berücksichtigen und in seine Analyse miteinbeziehen.
v. Klinggräff, Rechtsanwalt,
Dr. Theune, Rechtsanwalt,
Weyers, Rechtsanwältin

