Schlagwort: Illegalität

  • Burkhard Garweg: »Die Möglichkeit eines historischen Moments ist jetzt«

    Zur Geschichte der RAF und der Frage der Rekonstruktion einer antikapitalistischen, sozialrevolutionären, antipatriarchalen und internationalistischen Bewegung in der heutigen Zeit.

    In ihrem Text in »nd.Die Woche« vom 18. Januar 2025 legt Caroline Braunmühl eine alternative Position zu jener bürgerlichen Haltung dar, die versucht, die Geschichte militanten und bewaffneten Widerstandes mit der Reduzierung dessen Inhalts auf Gewalt zu entpolitisieren und einen politischen Konflikt zu negieren.

    Es war auch mir in meiner Erklärung vom Dezember 2024 ein Anliegen, Widerstand gegen den Kapitalismus im Kontext der Gewaltverhältnisse – der Ausbeutung, der Herrschaft des Menschen über den Menschen, des Nationalismus, des Militarismus und des Krieges – darzustellen und damit die Auseinandersetzung entsprechend der historischen Realität zu führen und der Geschichtsschreibung der Herrschenden und ihren Versuchen der Manipulation entgegenzutreten.

    Das Ziel bürgerlicher Geschichtsschreibung ist die Delegitimierung und Kriminalisierung antikapitalistischen Widerstandes und seiner Geschichte. Ihre Eliten haben ein grundlegendes Interesse an der Beibehaltung, der Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse und daran, dass sie weiter ihren Profit machen können. Dafür steht die in die Geschichte eingegangene Proklamation der 1990er Jahre aus den Reihen ihrer Eliten: »there is no alternative«.

    Caroline Braunmühl verbindet mit der RAF und anderen militanten Gruppen, wie zum Beispiel der Roten Zora, radikalen Widerstand gegen die »Gewalt gesellschaftlich dominanter Gruppen und Individuen gegen sozial Untergeordnete – wie etwa Klassenjustiz, patriarchale Gewalt oder transnationale Beziehungen der Ausbeutung, Unterdrückung und des Krieges, von denen die Wirtschaftseliten auch in der BRD profitiert haben und heute profitieren«. Sie benennt die Berechtigung militanten Widerstandes gegen Gewaltverhältnisse und verneint gleichzeitig die Legitimation gezielter Attentate durch die RAF in ihrer Geschichte.

    Sie kritisiert meine Erklärung aus einer feministischen Perspektive und für Kritiklosigkeit an der RAF.

    Ich stimme mit ihr überein, dass ein reflektiertes Bild der Geschichte der Kämpfe mit der Fähigkeit, auch deren Schwäche zu sehen, notwendig ist. Es geht doch vor allem darum, Rückschlüsse für die Kämpfe der Zukunft ziehen zu können.

    Die Welt des dominierenden, kapitalistischen Systems bewegt sich in zunehmender Fahrt in Richtung gesellschaftlicher und globaler Erosionen: Krieg, Armut, Vertreibung und die Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlage des Planeten. Der bürgerliche Staat – und das betrifft das gesamte kapitalistische Zentrum Europa und die USA – bedient sich zunehmend rechter und autoritärer Mittel. Er bedient sich der Konstruktion von »Volksgemeinschaft« in Abgrenzung zu Migrant*innen, Muslim*innen, Geflüchteten und Armen. Er bedient sich des Rassismus, des Nationalismus und einer rasanten Militarisierung nach innen und außen. Dies hat – die zum Teil auch beabsichtigten – Rückwirkungen auf die bürgerliche Gesellschaft.

    Diese radikalisiert sich an den innergesellschaftlich tief verankerten rassistischen, patriarchalen und sozialen Formen der Differenzierungen, Ausgrenzung und Unterdrückung. Die Welt bewegt sich unverkennbar in Richtung eines infernalen Kipppunktes, der sozialen, ökologischen und militärischen Erosionen.

    Der Kapitalismus bietet dafür keine Lösung an. Es wäre auch ein Widerspruch in sich. Die Krisenlösungen der Eliten sind nunmehr Autoritarismus, Faschisierung, Krieg und der Prozess der Vereinheitlichung bürgerlicher und faschistoider Politik. Das ist nichts anderes als die Fahrt in den möglichen Abgrund mit deutlichen Parallelen zu den historischen Krisenentwicklungen, die in den Weltkriegen von 1914 und 1939 mündeten – allerdings mit einem in der heutigen Zeit extrem gestiegenen, globalen Zerstörungspotenzial.

    Wer das verhindern will, sollte sich weniger mit der aussichtslosen Rettung der bürgerlichen Demokratie als einer Facette des Kapitalismus und der damit einhergehenden Beibehaltung der grundlegenden Gewaltverhältnisse auseinandersetzen, sondern mit sozialrevolutionären Alternativen, die nur als Ergebnis sozialrevolutionärer und emanzipatorischer Kämpfe erreicht werden können.

    Es ergeben sich existenzielle Fragen: In welchen Schritten, Initiativen und Prozessen ist die Rekonstruktion einer antikapitalistischen, sozialrevolutionären und internationalistischen Linken erreichbar?

    Aber eben auch: Was nehmen wir mit in die Zukunft aus den Kämpfen und aus den Konzepten der Geschichte, aus den Versuchen, den insgesamt durch und durch gewalttätigen Kapitalismus und Imperialismus zu überwinden? Wie diskutieren und schreiben wir als revolutionäre Linke die Geschichte von unten und eignen sie uns an für die Kämpfe von heute und morgen und gegen die propagandistische, entpolitisierende und kriminalisierende Geschichtsschreibung von oben?

    Ich sehe in der Geschichte der RAF Mut und Entschlossenheit, etwas zu wagen, zu riskieren und die Unbedingtheit und Ernsthaftigkeit und die Aufgabe eigener Privilegien, die es auch braucht, die Transformation des Elends von Herrschaft und Unterdrückung – mitsamt der Umwälzung von innergesellschaftlichen Machtgefällen – zu erreichen.

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  • Burkhard Garweg: Grüße aus der Illegalität

    Burkhard Garweg wendet sich in einem Brief an Familie, Freund*innen, Genoss*innen, Verbündete, Wagenplatzbewohner*innen sowie an alle, die sich mit seiner und ihrer Sicht auseinandersetzen wollen:

    »Legal, illegal, scheißegal. Am 26. Februar diesen Jahres wurde Daniela Klette in Berlin verhaftet. Journalist*innen, die sich bereitwillig als Hilfs­po­li­zis­t*in­nen angedient hatten und dazu beitrugen, den zunehmend autoritär agierenden Staat um die staatliche und gesellschaftliche Gemeinschaft von Fahn­de­r*in­nen und De­nun­zi­an­t*in­nen zu ergänzen, hatten mit KI Technologie Bilder von Daniela im Internet aufgespürt. Das historische Verdienst dieser podcastjournalistischen De­nun­zi­an­t*in­nen wird es gewesen sein, im richtigen Moment den Beweis für die angebliche Notwendigkeit biometrischer Kontrolle durch Gesichtserkennung auf dem Weg zum totalitären Kontrollstaat erbracht zu haben.

    Täuschung der Öffentlichkeit

    Die darauf folgende polizeiliche Fahndung gegen Volker Staub und mich sind seither geprägt von Lügen und Hetze. Polizei und bürgerliche Medien sagen, wir seien gewalttätige Kriminelle bzw. Terroristen, die nicht davor zurückschrecken würden, für Geld zu töten. Das Haus, in dem Daniela gewohnt hatte, wurde wie auch die Nachbarhäuser wegen angeblich gefährlicher Sprengstoffe medienwirksam evakuiert. Es begannen Maßnahmen der Mobilisierung der Bevölkerung zur Fahndung und Operationen psychologischer Kriegsführung. Es ist mittlerweile bekannt, dass eine gefundene Granate und eine gefundene Panzerfaust Attrappen waren. Das muss die Polizei von Anfang an gewußt haben. Diese ganze Aktion über mehrere Tage war eine Operation zur Täuschung und Manipulation der Öffentlichkeit.

    Die fortwährende Propagierung unserer Gewalttätigkeit und Gefährlichkeit, die Haus- und Wagenplatzdurchsuchungen in martialischer Form, gepanzerte Fahrzeuge und MP bewaffnete Po­li­zis­t*in­nen als sei der Krieg ausgebrochen, Kontrollen und Festnahmen sind mit den bewußt erzeugten Bildern nichts als die Behauptung der Notwendigkeit polizeilicher Militarisierung und eine Inszenierung, um die Bevölkerung zur Fahndung zu mobilisieren.

    Vor allem aber geht es ihnen mit dem erzeugten Bild krimineller Ge­walt­tä­te­r*in­nen darum, die Geschichte der Funamental-Opposition zu entpolitisieren und zu denunzieren – jene Geschichte des historischen Versuchs, zur Befreiung von den Gewaltverhältnissen des Kapitalismus beizutragen, der aus dem Widerstand der (19)68er Bewegung hervorgegangen und mit den weltweiten revolutionären und antikolonialen Kämpfen verbunden war.

    Vor 26 Jahren endete das Projekt Stadtguerilla in Form der RAF. Jedoch endete für uns, die wir als Militante der RAF verfolgt wurden, nicht das Leben in der Illegalität.Das Bild, das von uns zu erzeugen versucht wird, beschreibt eine gewalttätig marodierende Räuberbande, die für die Allgemeinheit gefährlich und auch zum Töten bereit sei – und das nur für Geld. Für uns ist es jedoch ausgeschlossen, für Geld Gewalt gegen Menschen auszuüben, die sie töten oder physisch verletzen könnte. Jegliche Traumatisierung von Angestellten von Kassenbüros oder Geldtransportern ist zu bedauern.Es gibt keinen Grund den Polizei- oder Justizapperat irgendetwas zu glauben, weil sie davon geleitet sind die Fundamentalopposition zu delegitimieren und davon, ein Klima zu erzeugen, in der staatliche Gewalt und Repression gerechtfertigt erscheinen.

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