„Es zeigt sich wieder einmal, dass der Staat nichts vergisst“

Interview mit Rechtsanwalt Lukas Theune

Daniela Klette wurde wegen des Vorwurfs, an Aktionen der Roten Armee Fraktion (RAF) beteiligt gewesen zu sein, am 26. Februar 2024 verhaftet. Die 18.3.-Redaktion der Roten Hilfe sprach mit Lukas Theune, einem ihrer Rechtsanwält*innen, über ihre Situation.

Frage: Seit weit über einem Jahr ist Daniela Klette in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Vechta in Haft. Was genau wird ihr vorgeworfen?

Antwort: Es gibt zwei voneinander getrennte Ermittlungsverfahren. Im einen beschuldigt sie die Staatsanwaltschaft Verden, an 13 – zum Teil versuchten – Raubüberfällen in den Jahren 1999 bis 2016 teilgenommen zu haben. Im anderen Verfahren beschuldigt sie der Generalbundesanwalt (GBA) der Beteiligung an drei politischen Aktionen Anfang der 1990er: an einem versuchten Anschlag auf das Rechenzentrum der Deutschen Bank, an einer Aktion gegen die US-Botschaft und an der Sprengung der im Bau befindlichen JVA Weiterstadt.

Im ersteren Verfahren ist bereits Anklage erhoben: Die Hauptverhandlung wird am 25. März beginnen. Im anderen Verfahren ist immer noch keine Anklage erhoben; was der GBA da vorhat, wissen wir auch nicht.

Wie sind Danielas derzeitige Haftbedingungen? Und wie kommt sie damit zurecht?

Mittlerweile wieder ganz gut. Sie wird zwar immer noch schlechter behandelt als ihre Mitgefangenen, hat weniger Umschluss und darf nicht zum Sport, aber im Großen und Ganzen kommt sie gut zurecht.

Besonders einschränkend sind tatsächlich die Besuchsverbote, die mit absurdesten Begründungen gegen gleich mehrere Menschen verhängt wurden, die sie besuchen wollten. Das nimmt ihr einfach die Möglichkeit des Austauschs mit anderen politisch Denkenden, und das fehlt ihr sehr.

Werden ihre Post- und Telefonmöglichkeiten behindert?

Sie darf zwar Briefe schreiben und empfangen. Alles unterliegt aber einer doppelten Postkontrolle, einmal durch das Landgericht (LG) Verden und dann durch den GBA. Dadurch verzögert sich alles sehr; eine vernünftige Kommunikation ist daher auch auf diesem Wege nicht möglich. Seit Monaten versucht sie, wenigstens eine Schreibmaschine zu erhalten, aber absurderweise wird auch das mit fadenscheinigen Argumenten immer wieder verzögert.

Aber Daniela freut sich sehr über alle Briefe, die sie erhält; die Solidarität, die sie dadurch spürt, ist auch ein Jahr nach ihrer Verhaftung ungebrochen. Mensch merkt, dass die Leistung, sich 30 Jahre dem staatlichen Zugriff zu entziehen, viele andere auch inspiriert und freut.

Können Besuche von dir und den anderen Verteidiger*innen ohne Einschränkungen stattfinden?

Ja, also unsere Besuche werden nicht überwacht. Weil der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ja bereits verjährt ist, können unsere Besuche auch – anders als beispielsweise bei Menschen mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der PKK – ohne Trennscheibe stattfinden, was super ist. Ihre Entführung aus Berlin in die Nähe der niederländischen Grenze bedeutet für uns natürlich aber immer sehr weite Fahrten.

Vor allem in den ersten Wochen war Daniela noch weit extremeren Schikanen ausgesetzt. Wie war ihre Situation im Frühjahr 2024?

Anfangs war es wirklich heftig. Daniela meinte letztens, als sie nochmals kurz in ihre alte Zelle gebracht wurde, im Rückblick wisse sie gar nicht mehr, wie sie das ausgehalten habe. Sie wurde Tag und Nacht videoüberwacht, ihre Zelle war mit einem Lochblech so vergittert, dass kein Tageslicht hereinkommt, sie durfte keinen Kontakt zu anderen Gefangenen haben und keinen Besuch. Nicht mal einen Kugelschreiber durfte sie anfangs haben, weil sie ja Capoeira kann und wer weiß was mit einem verdammten Kugelschreiber hätte anrichten können. Das war wirklich krass.

Bei Transporten zum Beispiel zu Haftprüfungsterminen haben die Sicherheitsbehörden jeweils ein gewaltiges Spektakel veranstaltet. Was ist das Ziel solcher Inszenierungen, und womit werden sie begründet?

Beide Gerichte – also LG Verden und Bundesgerichtshof – gehen von Fluchtgefahr aus. Besonders absurd ist das Aufgebot an schwer bewaffneten Spezialkräften, die sie bewachen, wenn sie zum Gericht gebracht wird. Bei ihrer Vorführung zur Verkündung des neuen Haftbefehls am 31. Januar in Verden war es so, dass sie nicht nur an Händen und Füßen gefesselt und mit einer kugelsicheren Weste beschwert wurde, sondern auch noch von mehreren Beamt*innen mit Waffen bewacht wurde. Insgesamt soll so ein gefährliches Bild von unserer Mandantin vermittelt werden; irgendwie muss sich ja der irrsinnige Aufwand des Verfahrens rechtfertigen.

Gegen Freund*innen, die Besuchsanträge gestellt haben, und andere solidarische Menschen gab es systematische Repressalien. Welche Maßnahmen gab es – und warum?

Also das Krasseste ist eigentlich, dass jede Person, die einen Besuchsantrag stellt, zugleich damit rechnen muss, direkt eine Zeug*innenvorladung zu erhalten: Woher kennen Sie Frau Klette, was wussten Sie, woher kommen Sie selbst politisch und so weiter. All diese Fragen sollen natürlich abschreckend wirken und bei der Isolation unserer Mandantin helfen.

Bis heute hat die Staatsanwaltschaft allerdings nicht viel Erfolg mit dieser Strategie. Ihre Besucher*innen lassen sich nicht abschrecken, und mehrere haben auch konsequent die Aussage verweigert.

Ende März ist der Prozessauftakt gegen Daniela. Unter welchen Bedingungen wird er stattfinden?

Der Prozess beginnt am 25. März im Hochsicherheitssaal beim Oberlandesgericht Celle. Dort geht es dann erst einmal um die Raubüberfälle. Dann soll im Mai der Umzug nach Verden in ein eigens für das Verfahren angemietetes Gebäude erfolgen. Hier zeigt sich wieder, welche Sonderbehandlung Daniela erhält. Es wurde auch extra für sie ein neuer Vorsitzender gesucht, der das Verfahren leiten soll. Auch der Einsatz einer teuren KI des israelischen Anbieters Cellebrite zur Auswertung der gesicherten digitalen Beweismittel ist etwas Neues.

Insgesamt werden keine Kosten und Mühen gescheut. Es zeigt sich wieder einmal, dass der Staat nichts vergisst und auch 27 Jahre nach der Auflösungserklärung die von ihm vermuteten letzten ehemaligen Mitglieder der RAF fertigmachen will mit allen Mitteln.

Quelle: Sonderausgabe der Roten Hilfe zum 18.03.2025