Rede auf der Kundgebung am 13. August 2025 in Verden-Eitze
Das für den Staat Unerträgliche, dass nicht sein darf und was es nie hätte geben dürfen. Im Prozess gegen Daniela hier in Verden wegen Geldbeschaffung genauso im folgenden Prozess wegen Mitgliedschaft in der Roten Armee Fraktion, geht es dem Staat um eine weitere Abrechnung mit einem Teil linker Geschichte, genauer die Abrechnung mit dem bewaffneten Widerstand.
Ja, die RAF ist genauso Geschichte wie die Bewegung 2. Juni,die Revolutionären Zellen oder die Rote Zora. Aber es ist mitnichten so, dass sie staatlicherseits zerschlagen wurden, dass es dem Staat gelungen ist, aller habhaft zu werden und die eingeknasteten GenossInnen gebrochen werden konnten.
Keine Isolationshaft, keine noch so dicken Mauern konnten verhindern, dass die inhaftierten GenossInnen kollektive Kämpfe führten und diese Kämpfe von Teilen der linken Bewegung tatkräftig unterstützt wurde. Der Slogan „Drinnen und Draußen eine Bewegung, Einheit im Kampf für Zusammenlegung“ wurde für den Staat zur ganz konkret schmerzhaften Erfahrung im Laufe unzähliger Hungerstreiks. Auch die Kämpfe anderer militanter Gefangenen etwa der von „action directe“ aus Frankreich, Grapo-PCR aus Spanien, CCC aus Belgien, Rote Brigaden aus Italien, IRA aus Irland oder der ETA im Baskenland wurden solidarisch begleitet.
Gegenvorstellung gegen den Beschluss der Kammer auf Ablehnung der Einholung eines Waffengutachtens vom 9.7.2025
Wenn ich mir den Ablauf dieses Verfahrens in den letzten Monaten anschaue, stelle ich auf der einen Seite fest, dass das Gericht konziliant auftritt und um eine unaufgeregte Prozessatmosphäre bemüht ist.
Gleichzeitig stelle ich aber auch fest, dass meine Bemühungen etwas von unserer Haltung klarzustellen, völlig ignoriert werden.
Es dürfte allen, die bislang den Prozess und die Erklärungen, sowohl von mir als auch von Burkhard Garweg mitverfolgt oder die Anträge meiner Verteidigung wahrgenommen haben, deutlich geworden sein, dass es eines meiner Hauptanliegen in diesem Prozess ist, gegen den Vorwurf des Mordversuchs um an Geld für das Überleben in der Illegalität zu kommen, anzugehen.
Im Vorlauf des Prozesses und bis heute gab es Stellungnahmen um klarzustellen, dass die Tötung von Menschen zur Geldbeschaffung unserem Selbstverständnis als radikale Linke vollkommen entgegensteht. Im Gegenteil sehen wir es als notwendig an, das kapitalistische System zu überwinden, weil dieses System Geld und Profit über alles Leben stellt.
Am 10. Prozesstag gab Daniela Klette, nach Ansicht der Bundesanwaltschaft ehemaliges Mitglied der 1998 aufgelösten RAF, im laufenden Prozess gegen sie eine Erklärung ab, in der sie auch den millionenschweren Ausbau der Reithalle in Verden zum Gerichtsgebäude fungiert, kritisiert:
Es gibt ja tausend Ideen, die den meisten sofort einfallen, wo statt für solch einen irrationalen Komplex Geld äußerst willkommen wäre: Schulgebäude, Kitas, Schwimmbäder, Krankenhäuser, Klima- und Umweltschutz, Frauenhäuser, würdige Lebensbedingungen für Geflüchtete usw. (…)
Alle Anstrengungen werden auf Militarisierung und Kriegstüchtigkeit gerichtet – nach außen die Kriegstreiberei, die Aufrüstung und die deutsche Unterstützung des Völkermordes in Gaza und der Westbank durch die ununterbrochene Lieferung militärischen Materials an die rechtsradikale israelische Regierung. Und selbst, wenn jetzt zaghafte kritische Äußerungen aus Regierungskreisen zur israelischen Kriegführung kommen, wird sich nur an Taten wie Sanktionen und dem Stopp aller militärischen Unterstützung zeigen, ob das mehr als Politikertheater ist. Dass es überhaupt zu solchen Äußerungen gekommen ist, ist nur durch die Kontinuität und Ausweitung des palästinasolidarischen Widerstands und dem stärker werdenden internationalen Druck erreicht worden.
Nach innen findet die Erweiterung der Polizeibefugnisse zur Überwachung und Verfolgung von Widerstand statt, unterstützt durch den technologischen Ausbau des Fahndungsapparates mit KI und Drohnen sowie die Entsolidarisierung innerhalb der Gesellschaft und die fortschreitende Entrechtung von Migranten, Geflüchteten und von Armut Betroffenen, die Umsetzung rechtsradikaler Forderungen als Regierungspolitik und die verschärfte Repression gegen diejenigen, die sehen, dass Kapitalismus Krieg und Faschismus in sich trägt und zur Zerstörung der Lebensbedingungen aller führt (…)
Zum bisherigen Verlauf des Prozesses gegen das mutmaßliche Ex-RAF-Mitglied Daniela Klette sprach „junge Welt“ mit ihrem Strafverteidiger Ulrich Klinggräff.
Sie sind einer der Verteidiger von Daniela Klette. Was wird ihr vorgeworfen?
Ihr wird die Teilnahme an insgesamt 13 Raubüberfällen auf Geldtransporter und Kassenbüros von Einkaufscentern im Zeitraum zwischen 1999 und 2016 vorgeworfen. Dabei ist eine Tat aus dem Jahre 2015 von der Staatsanwaltschaft Verden als versuchter Mord angeklagt worden.
Warum fand der Prozess bisher in Celle statt?
Das Landgericht Verden ist der Auffassung, dass in diesem Verfahren besondere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind und der Prozess deshalb nicht in einem »normalen« Verhandlungssaal stattfinden kann.
Darum wurde eine Reithalle in einem Vorort von Verden für 3,6 Millionen Euro zu einem riesigen Hochsicherheitssaal umgebaut. Das alles ist Ausdruck eines völlig irrsinnigen und gänzlich unbegründeten Sicherheitswahns. Gericht und Staatsanwaltschaft lassen keine Gelegenheit aus, zu betonen, es handele sich um ein ganz normales Strafverfahren und dass man am möglichen RAF-Hintergrund überhaupt kein Interesse habe. Durch die ganzen Sicherheitsmaßnahmen wird der Öffentlichkeit aber das Bild eines »Terrorverfahrens« vermittelt. Für uns stellt dies einen Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens und eine erhebliche Verletzung der Persönlichkeitsrechte unserer Mandantin dar.
Ab dem 28. Mai wird die Verhandlung in Verden-Eitze fortgesetzt. Können Sie nach bisher neun Prozesstagen ein erstes Resümee ziehen?
Aktuell findet die Beweisaufnahme zu dem Raubüberfall auf einen Geldtransporter in der Ortschaft Stuhr 2015 statt. Das ist der Fall, der als versuchter Mord angeklagt ist. Hierzu finden viele Zeugenvernehmungen statt. Es geht um DNA-Spuren, um Schussverläufe und vieles mehr. Nach unserer Auffassung spricht einiges dagegen, dass Daniela Klette überhaupt am Tatort gewesen ist. Darüber hinaus halten wir die Behauptung, die Täter hätten einen Tötungsvorsatz besessen, für abwegig. Sie ist Ausdruck der politischen Aufladung dieses Verfahrens. Aus der vermuteten früheren RAF-Mitgliedschaft unserer Mandantin werden negative Rückschlüsse gezogen. Bezugnahmen auf willkürlich anmutende Behauptungen zur RAF, ihrer Struktur und ihren Handlungsweisen sollen den Mangel objektiver Erkenntnisse kaschieren. Das Gericht hat aber erklärt, sich von derartigen »RAF-Bezügen« freimachen zu wollen.
Frau Klette wurde zu jedem Prozesstag von der JVA Vechta nach Celle gebracht und musste dabei auf Anordnung Hand- und Fußfesseln sowie eine schwere Bleiweste tragen. Welchen Zweck verfolgen diese Maßnahmen?
Diese Maßnahmen zeigen den Ausnahmecharakter des Verfahrens und beeinträchtigen die Persönlichkeitsrechte von Frau Klette. Insbesondere unter der zwangsweise angelegten Bleiweste hat unsere Mandantin erheblich zu leiden. Diese verursacht Druck- und andauernde Nackenschmerzen und hat auch negative Auswirkungen auf ihre Konzentrationsfähigkeit. Grund sei eine angebliche Gefährdung unserer Mandantin. Klette sagte, dass sie auf derartige Schutzmaßnahmen verzichten kann. Diesbezüglich fanden und finden in den Verhandlungen regelmäßig Auseinandersetzungen statt. Die Maßnahme beruht zwar auf einer Anordnung der Haftanstalt, berührt aber auch den Verantwortungsbereich des Gerichts. Wir erwarten nun, dass die Anordnung der Bleiweste aufgehoben wird.
Werden diese Anordnungen weiterhin greifen, wenn der Prozess in Verden-Eitze weiterläuft?
Das Gericht hat am letzten Verhandlungstag mitgeteilt, dass jedenfalls die Vorführung unserer Mandantin in den Verhandlungssaal ohne Fesseln erfolgen soll. Die absurden Sicherheitsmaßnahmen auch auf dem Transport zu den einzelnen Verhandlungstagen sind nicht länger zu rechtfertigen und müssen aufgehoben werden. Frau Klette freut sich übrigens sehr über jede solidarische Unterstützung in diesem Verfahren.
Am Dienstag, dem 6. Mai, hat sich Daniela Klette den anwesenden Pressefotografen und Kamerateams mit einer Kufija um die Schultern präsentiert und ein Blatt Papier mit den Worten »Stop Vertreibung Bombardierung Aushungern« hochgehalten, schreibt die »Junge Welt«. Wie in ihrer Stellungnahme am ersten Prozesstermin und in ihrer Grußbotschaft an die »Revolutionäre 1.-Mai-Demo« in Berlin wandte sich die 66-Jährige damit gegen das Vorgehen des israelischen Militärs im Gazastreifen und im Westjordanland.
Vor dem Landesgericht Verden verlas Daniela Klette am 25. März 2025 folgende Prozesserklärung:
Ich schließe mich dem Einstellungsantrag meiner Verteidigung an. Dem möchte ich nur einige Sätze hinzufügen. Nach dem Ende des Projekts Stadtguerilla der RAF im April vor 27 Jahren, waren Burkhard Garweg, Volker Staub und ich mit der weiteren öffentlichen Fahndung nach den angeblich »letzten ehemaligen Militanten aus der RAF« durch das BKA konfrontiert. Burkhard Garweg wurde sogar erst nach der Auflösung der RAF in diese öffentliche Fahndung gezerrt. Das war die staatliche Antwort auf die Selbstauflösung der RAF, so wie schon zuvor Bad Kleinen – die Erschießung von Wolfgang Grams – und weitere lange Jahre Haft und hohe Verurteilungen gegen Gefangene aus der RAF und Widerstand die Antwort auf die Deeskalationserklärung der RAF von 1992 gewesen waren.
Wir haben uns dem Zugriff des Staates jahrzehntelang erfolgreich entzogen, was mir leider nur bis zum 26. Februar 2024 geglückt ist. Eine sehr wertvolle Zeit. Mit vielen Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, und noch viel mehr positiven Erfahrungen. Diese haben mich in meiner Überzeugung gestärkt, dass eine bessere Welt, in der Menschen einander zugewandt leben, nicht nur notwendig, sondern auch möglich ist, und sie tragen mich weiter durch alles das, was noch kommen wird. Heute möchte ich mich bei allen denen bedanken, die mit mir oder uns als Freund*innen oder liebe Bekannte zu unterschiedlichen Zeiten zusammen gewesen sind. Es war nicht einfach, nicht unsere wirkliche Geschichte offen machen zu können, aber das ist eine Regel der Illegalität zum Schutz aller. Dass so viele, mit denen ich befreundet oder nur bekannt war, völlig unvorbereitet die teils gewaltvolle Repression abbekommen haben und auch mit mehrmaligen Verhören drangsaliert wurden, tut mir leid. Ich hätte nicht erwartet, dass das so ausufernd und bedrohlich passieren würde. Ich hoffe, es geht den meisten von euch trotzdem wie mir, denn ich bin froh, euch kennengelernt zu haben. Am 26. Februar 2024 wurde ich aus meinem bisherigen Leben herausgerissen.
Im letzten Jahr habe ich dann durch die Ermittlungsakte Einblick in das ganze Ausmaß der uferlosen Fahndung nach uns bekommen. Hier nur ein paar Beispiele: Es gab Bespitzelung früherer Freund*innen und Genoss*innen, Hausdurchsuchungen und Observationen bei unseren Familien, die Verfolgung alter Bekannter in ihre Urlaube in andere Länder, Befragungen dort auf Campingplätzen und in Hotels und sogar Observationen bei Begräbnissen – viel fischen im Trüben eben.